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Isartod

Isartod

Titel: Isartod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kämmerer
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Stiefmütterchen touchiert hat.
    Die Spurensicherung machte Fotos. Eine Assistentin von Dr. Fleischer war an der Leiche zugange. »Hi, ich bin die Gerti. Sie müssen die Neue bei Mader sein. Herzliches Beileid.«
    Doris lachte. »Passt schon.« Sie deutete auf den verkrümmten Grafen. »Was Besonderes?«
    »Nein. Kein Hinweis auf Fremdeinwirkung.«
    »Ein Unfall?«
    »Eher nicht. Der Sims ist ziemlich hoch. Und die Burschen« – sie deutet auf die Uniformierten – »sind erst nicht in den Turm gekommen. Der war zugesperrt. Der Schlüssel steckte innen. Sie haben die Tür aufgebrochen.«
    Dosi betrat den Turm. Der Schlüssel steckte noch innen im Schloss. Sie zog ihn ab und steckte das Schlüsselbund ein. Dann stieg sie die engen Stufen hinauf zum Turmzimmer, das vollgestellt war mit astronomischen Geräten. Wie aus einer anderen Zeit. Blankes Messing glänzte im kalten Morgenlicht. Zwei Fenster. Vor einem ein eleganter Sekretär aus dunklem Holz.
    Auf dem Sekretär lag ein Kopfhörer. Dosis Blick spiralte das Kabel entlang, das in einer kleinen Stereoanlagesteckte. Das Display des CD -Players leuchtete. Sie drückte auf Play . Laut und hochfrequent drang Wagner aus dem Kopfhörer. Dosi drehte schnell die Lautstärke zurück. Schaute auf die CD -Hülle. Der fliegende Holländer.
    Sie ging zu dem offenen Fenster. Der hohe Fenstersims. Hier fällt keiner zufällig runter. Fünfzehn Meter. Von hier oben wirkte das Blumenbeet so klein, als würde man es leicht verfehlen.
    Ihr Blick schweifte über die Burganlage und noch weiter übers Isartal hinweg bis zur Alpenkette. Der Fluss, die Wälder, die Berge, der Himmel. Keine Straßen, Autos, Schornsteine. »Wem so was gehört, der springt nicht aus dem Fenster«, stellte Dosi für sich fest. Abschiedsbrief gab es auch keinen. Zumindest nicht hier. Sie machte sich auf den Weg zurück nach unten.
    Dort erwartete sie die Haushälterin. »Hallmeier Margit.« Sie reichte Dosi die Hand.
    »Rossmeier Doris. Mordkommission München.«
    »Das kann kein Unfall sein. Und kein Selbstmord. Herr von Haslbeck hätte nie Hand an sich gelegt!«
    »Wir sehen nicht rein in die Menschen. Sie haben ihn gefunden?«
    »Ja, heute morgen um sechs, als ich kam. Und gestern Abend, da war dieser Mann. Er ist zum Turm hinübergegangen. Ich hab’s den Kollegen schon gesagt. Gestern Abend, so um neunzehn Uhr. Ich hab ihn erkannt.«
    »Wie? Sie haben ihn erkannt?«
    »Ich überlege schon die ganze Zeit. Es fällt mir einfach nicht ein. Aber der war schon mal hier. Groß, kräftig, kurzes blondes Haar. Er kam um neunzehn Uhr und ist zehn Minuten später wieder weg.«
    »Aha. Und den Grafen haben Sie dann nicht mehr gesehen?«
    »Nein, erst heute Morgen wieder.« Sie kämpfte mit den Tränen.
    Dosi informierte sich noch über ein paar Details zum Personal (war im Prinzip nur Miss Hallmeier in Vollzeit und gelegentlich ein Gärtner) und zu den sonstigen Gepflogenheiten (zweimal im Jahr eine größere Gesellschaft) auf Waldeck und zu den nächsten Verwandten (eine Tochter).
    »Gut, vielen Dank«, meinte sie schließlich. »Ich würde gerne morgen mit Ihnen im Präsidium die Bildkartei durchsehen. Und wenn da nichts dabei ist, machen wir ein Phantombild. Am besten wär’s natürlich, wenn Ihnen noch einfällt, woher Sie den Mann kennen.« Sie reichte ihr ihre Visitenkarte.
    Die Haushälterin nickte eifrig und steckte die Karte in ihre Schürze.
    »Sagen Sie, gibt es hier auf der Burg eine Folterkammer?«, fragte Dosi abschließend.
    »Wie meinen Sie das?«, erwiderte die Hallmeierin spitz.
    »Nein, im Ernst. Gibt’s so was auf der Burg?«
    »Nicht dass ich wüsste. Der Graf war ein ausgesprochen distinguierter Mensch.«
    »Ich meinte das eher«, Dosi lächelte, »so historisch.«
    Die Haushälterin zuckte nervös und war die Morgenröte persönlich. Als Dosi zum Auto ging, überlegte sie, ob der Burgherr ein Verhältnis mit seiner Haushälterin hatte. Warum nicht? Ob sie auch was erben würde? Sie musste die Tochter nach dem Testament fragen. Dosi legte Haslbecks Schlüsselbund ins Handschuhfach. Vielleicht würde sie das noch mal brauchen.

INTERESSANTE FRAGEN
    Kastanienallee 15. Die Patzer-Villa in Grünwald. Himmel jetzt wolkenverhangen. Aber Patzers Haus strahlte. Prachtstück. Oder Tempel schlechten Geschmacks. Je nachdem. Dicke Säulen an der schneeweißen Hausfront, schmale, hohe Fenster, die Läden azurblau. Feuchter Traum eines Bausparprospekts. Nur dass sich das hier kein Bausparer leisten

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