Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
Vom Netzwerk:
langsam«, vermutete Yonathan. »Kein Wunder, dass sie entsetzt waren und sich zu wehren versuchten.«
    Endlich sprach Gimbar aus, was ihn anscheinend schon die ganze Zeit bedrückt hatte. »Ich möchte keine Steinfigur werden, Yonathan.«
    »Das wirst du nicht.« Yonathan spürte selbst, dass seine Antwort ein wenig zu rasch gekommen war, um wirklich überzeugend zu klingen. Deshalb fuhr er im selben Atemzug fort: »Ist dir sonst noch irgendetwas aufgefallen?«
    »Eine Tafel«, erwiderte Gimbar nach einer kurzen Pause.
    »Eine Tafel? Etwa mit der Aufschrift ›Vorsicht, Versteinerungsgefahr!‹? «
    Gimbar zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht sagen. Es muss ein sehr alter Text sein, vermutlich in der Sprache der Schöpfung. Die Schriftzeichen sahen jedenfalls so aus wie die auf deinem Stab.«
    »Sie ähneln den Namen auf Haschevet?«
    Gimbar nickte.
    Yonathans Finger wanderten zu seinem rechten Ohrläppchen und begannen daran herumzuspielen. »Lasst mich ein wenig darüber nachdenken«, sagte er, stand auf und schritt langsam in die Dunkelheit.
    »Wie hast du es nur angestellt genau den richtigen Stein zu treffen?«
    Yomis Frage zielte auf Yonathans letzten Kampf an den Wurzeln des Palastberges. Der Stabträger hatte beim Frühstück bewusst vermieden das Problem der steingewordenen Menschen am Osteingang des Verborgenen Landes anzusprechen. Seine Vermutungen zum Geheimnis der beiden Türme waren noch zu vage, um die Freunde unnötig zu beunruhigen.
    »Ich erinnerte mich an etwas, das Goel mich einmal lehrte«, antwortete er, nachdem er ein Stück Brot hinuntergeschluckt hatte.
    »Ein Zaubertrick?«
    Yonathan musste lächeln. »Man merkt, dass du in den letzten drei Jahren wieder unter Seeleuten gelebt hast, Yo. Nein, mit Zauberei hat das nichts zu tun. Kein neschanischer Richter hat sich je der dunklen Mächte bedient. Goels Lektion war viel einfacher. Er nahm mich mit in den Vorratsraum, im Haus der Richter Neschans. Es war genau um die Mittagszeit. Dann öffnete er eine Deckenluke, so dass die Sonne genau auf ein Fass fiel, auf das er einen Tonkrug stellte. Er lächelte mir zu und sagte:
    ›Schau genau auf den Krug, Geschan. Präge dir seine Form gut ein.‹ Ich tat, was er verlangte, und starrte wie gebannt auf das Gefäß. Plötzlich gab es einen Knall: Goel hatte die Klappe zufallen lassen und damit das Sonnenlicht ausgesperrt. ›Was siehst du jetzt?‹, fragte er. ›Antworte ohne lange nachzudenken.‹ – ›Ich sehe den Krug noch immer‹, antwortete ich erstaunt. Es war aber stockfinster in dem Raum. Ich hörte Goels Kichern, während er die Klappe wieder einen Spaltbreit öffnete. Verwundert bemerkte ich, dass sich nichts mehr auf dem Fass befand. ›Wann hast du den Krug weggenommen?‹, fragte ich den Meister. Er musste mir meine Verwunderung wohl angesehen haben, denn er lächelte schelmisch und antwortete: ›Sofort nachdem die Klappe zugefallen war.‹ – ›Aber ich habe den Krug doch noch gesehen‹, beteuerte ich. ›Auge und Ohr sind sehr leichtgläubig‹, gab Goel mir zurück. ›Das, was du gesehen hast, war nur ein Trugbild. Es sollte dich lehren dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen zu lassen. Das wahre Sein der Dinge erkennt man oft nur mit dem Herzen.‹ Genau das nun habe ich getan, als mir die Luft unter dem Palastberg knapp wurde und ich nicht wusste, gegen welches der Augen ich meinen letzten Schlag führen sollte«, erklärte Yonathan leichthin. »Ich erinnerte mich an Goels Rat und konzentrierte mich auf mein inneres Auge.«
    »Du hast Haschevet gehabt«, warf Gimbar ein.
    »Zugegeben. Meinst du, der Kampf war deshalb unfair?«
    »Meinetwegen kannst du ein Dutzend Stäbe zu Hilfe nehmen, wenn es uns nur gelingt Bar-Hazzat eins auszuwischen.«
    »Ich fürchte, ich werde mit einem auskommen müssen. Aber ich habe ja euch. Gemeinsam – und mit Yehwohs Segen – werden wir es schon schaffen. Bald haben wir ja wieder Gelegenheit dazu- wie hast du dich ausgedrückt? – ›Bar-Hazzat eins auszuwischen‹.«
    Gimbars Nase zuckte nervös. »Wir sollten nichts überstürzen, Yonathan. Du hattest versprochen dich erst gründlich zu erholen.«
    Yonathan lächelte grimmig. »Keine Angst. Ich fühle mich heute schon viel besser. Und morgen werden wir den beiden Wächtern einen Besuch abstatten.«
    Die drei Wanderer waren in der ersten Dämmerung aufgebrochen. Beim Frühstück hatte keiner einen besonderen Appetit gezeigt. Zu sehr drückte ihnen die Anspannung auf den Magen.

Weitere Kostenlose Bücher