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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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fühlte das vom Morgentau benetzte Gras an seinen Fingern. Er schaute sich um und stellte fest, dass er unter einem Baum lag, offenbar dem einzigen in einem weiten Umkreis. Er war auf einem Hügel, man konnte weit in die Gegend blicken: Im Westen erstreckte sich eine große Wasserfläche, im Osten erkannte er den Saum eines fernen Waldes, aber in der näheren Umgebung schien es nur langes, wallendes Gras zu geben. Wo befand er sich? Was war mit dem Schwarzen Turm geschehen? Was mit Bar-Hazzat?
    Yonathan wusste nicht, wie lange er so dagesessen und über diese Fragen nachgedacht hatte. Immer wieder blickte er um sich, sah im Osten das junge Licht des Tages und im Westen das letzte Funkeln der Sterne. Für einen Moment glaubte er eine seltsame Veränderung am Himmel wahrzunehmen, als würden die ihm seit jeher bekannten Sternbilder sich plötzlich verschieben und die glimmenden Punkte wie von unsichtbaren Fäden gezogen über den Himmel wandern. Aber dann war diese offensichtliche Sinnestäuschung auch schon vorüber und ein sanftes Blau deckte alles zu.
    Als Yonathan sich endlich erhob, war die Sonne bereits ein gutes Stück ihrer Bahn weitergewandert. Er betrachtete nun eingehender den Baum, der ihn während seines Schlafes beschirmt hatte, und machte eine erstaunliche Entdeckung: Genau an der Stelle, wo sich der Stamm in verschiedene Astgabelungen verzweigte, befand sich ein goldener Gegenstand. Yonathan trat etwas näher heran: Es war der Knauf Haschevets, der da aus dem Baum ragte. Doch nicht nur das Kopfstück hatte er vor Augen, sondern den ganzen Stab selbst! Haschevet hatte sich wieder in das verwandelt, was er einmal gewesen war: ein Ableger des Lebensbaums. Er hatte gesprosst und war herangewachsen.
    Wie lange aber stand er schon hier? Der Größe des Baumes nach zu urteilen, musste Yonathan viele Jahre geschlafen haben. Er ging langsam um den knorrigen Stamm herum und bemerkte einen Ring von kurzen bunten Blümchen, die den Baum in einem weiten Kreis umschlossen. Der Durchmesser dieses Runds entsprach genau dem des Schwarzen Turms von Gedor. Dann gab es die nächste Überraschung für Yonathan. An der ihm abgewandten Seite des Baumes wuchs ein schneeweißer Rosenstock. Er schmiegte sich eng an den Stamm, schien geradezu mit diesem verbunden zu sein.
    »Sie haben jetzt ihre Aufgabe erfüllt«, sagte eine volltönende Männerstimme hinter ihm.
    Yonathan fuhr erschrocken herum und sah eine gleißende Gestalt. »Benel?«, fragte er, während er mit dem Handrücken die Augen beschirmte.
    »Er hat gerade eine andere Botschaft zu überbringen. Deshalb bin ich gekommen.«
    Yonathan fühlte, dass sein Besucher eine noch höhere Stellung innehaben musste als Benel, der ihm so oft geholfen hatte. Er beugte sein Knie und senkte den Blick zu Boden. »Wer seid Ihr, Herr?«
    »Ich bin Michael und komme im Auftrag meines Vaters, um dir Dank zu sagen für deine Treue.«
    War es nicht Michael, von dem Bar-Hazzat zuletzt gesprochen hatte? Ein seltsames Zusammentreffen. »Habt Ihr den Turm zerstört?«, fragte Yonathan nach einer Weile zaghaft.
    »Vielleicht habe ich ein wenig dazu beigetragen, aber im Grunde war es dein Werk, deines und dasjenige Bar-Hazzats.«
    »Bar-Hazzats?«
    »Als er versuchte, mit aller Kraft die weiße Rose zu vernichten, hat er das, was der Stab begonnen hatte, vollendet.«
    »Ist er jetzt tot?«
    »Dir ist doch bekannt, was die Tränenland-Prophezeiung von dem bösen Fürsten sagt: ›Der böse Fürst aber blieb bis zu seinem Tode gefangen und kehrte nie mehr in das Land des Trostes zurück.‹«
    Yonathan wagte zum ersten Mal wieder die Augen zu erheben. »Dann wartet er jetzt auf das Gericht seines Vaters.«
    »Er und auch Melech-Arez«, bestätigte Michael. »Bar-Hazzat hatte Recht, als er zu dir sagte, dass das Geschick Neschans nicht in meiner Hand läge, Yonathan. Es befand sich in deiner. Mein Vater wollte beweisen, dass selbst das Schwache gegen die Übermacht des Bösen gewinnen kann, und du hast wirklich bewiesen, dass dies möglich ist, Yonathan. Weil du unbeugsam warst bis zum Schluss, hat Bar-Hazzat jede Macht verloren. Das Böse braucht einen Nährboden, auf dem es gedeihen kann. Wenn es keine willigen Herzen mehr findet, geht es ein wie eine verdorrte Pflanze.«
    »Könnte es sein, dass Bar-Hazzat enger mit seinem Turm verwachsen war, als viele glaubten?«, brachte Yonathan eine Vermutung vor.
    »Auch das stimmt. Goel hat dir viel beigebracht.«
    »Danke, Benel sagte einmal Ähnliches

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