Isau, Ralf - Neschan 03
Gottes anzuführen, erinnert Euch, dass geschrieben steht, wie Euch und Eurem Herren, Melech-Arez, beizukommen ist. Es gibt eine Waffenrüstung, der selbst Ihr nicht trotzen könnt. Aber sie besteht nicht aus Riemen und Stahl. ›Denn unser Ringen geht nicht gegen Blut und Fleisch, sondern gegen die Regierungen, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geistermächte in den himmlischen Örtern‹, sagt Paulus. Ich brauche den Stab nicht, um Euch zu besiegen. Er ist nur ein Mittel, um das Gleichgewicht zwischen Euch und mir zu erhalten, damit das wirklich Wahre den Ausschlag gibt.«
Zum ersten Mal schien das gefühllose Antlitz verunsichert zu sein. Aber die wahren Empfindungen des dunklen Herrschers blieben dem Stabträger selbst unter Zuhilfenahme Haschevets verborgen. Bar-Hazzat war ein Meister der Täuschung. »Ich könnte dir ein Angebot machen«, sagte er leise.
»Ich dachte, darüber wären wir hinaus?«
Eine knochige weiße Hand schob sich aus Bar-Hazzats Gewandfalten und schwebte langsam zum Gesicht empor. Die dürren Finger griffen nach dem roten Auge auf der Stirn. Sie lösten den glimmenden Stein aus seiner Fassung und legten ihn vorsichtig auf die glänzende Platte des sechseckigen Tisches.
Yonathan hatte den Vorgang mit wachsendem Unbehagen verfolgt. An der Stelle, wo sich der Bannstein Bar-Hazzats befunden hatte, klaffte jetzt ein schwarzes Loch, in dem kleine rote Sterne umeinander wirbelten.
»Du bist ausgezogen, um meine sechs Augen zu finden«, sagte Bar-Hazzat ruhig. »Dieses eine hier fehlt dir noch. Nimm es. Wenn du willst, zerstöre es. Dann hast du dein Ziel erreicht und du kannst deiner Wege gehen.«
Yonathan schaute abwechselnd auf den funkelnden Stein und in das fahle, emotionslose Gesicht.
Bar-Hazzat schritt langsam um den Tisch herum und entfernte sich einige Schritte. »Nimm es«, lud er Yonathan abermals ein. »Es gehört dir.«
Du könntest es jetzt vernichten, hallte es durch Yonathans Geist. Seine Hände umklammerten den Stab, die Fingerknöchel traten weiß hervor. Er war nahe daran auszuholen und den entscheidenden Hieb zu führen, da ertönte plötzlich Sethurs Stimme in seinem Rücken.
»Nicht, Yonathan! Am Tisch befindet sich eine Falltür!«
Erschrocken fuhr der Gewarnte herum und die Ereignisse überstürzten sich: Unter Yonathan tat sich plötzlich der Boden auf. Einen kurzen Moment lang blickte er in einen gähnenden Schlund hinab. Doch er hatte schon mit einem Hinterhalt gerechnet und setzte sofort die Kraft der Bewegung ein, um sich über dem Abgrund zu halten.
Während Sethur noch mit aufgerissenen Augen den über dem Nichts schwebenden Gefährten anstarrte, traf ihn mit voller Wucht der Angriff Bar-Hazzats. Eine karminrote Flamme schoss aus der Linken der dunklen Gestalt, durchschnitt den Raum und bohrte sich in die Brust des Jägers.
»Verräter!«, zischte der Herr des Schwarzen Turmes. »Ich hätte wissen müssen, dass ihr Menschen zu schwach seid. Er hat dich mit seiner Liebe vergiftet. So spüre diese Medizin und danke dem siebten Richter für deinen Tod.«
Yonathan blickte fassungslos auf den zu Boden gestürzten Mann. Kurz darauf kniete er bei Sethur und half ihm den Oberkörper aufzurichten.
»Warum bist du nicht umgekehrt, wie wir es besprochen hatten?«
»Ich hatte etwas Entscheidendes vergessen… die Falle… Und man kann Bar-Hazzat in keiner Weise trauen. Ich musste dich warnen.«
Tränen liefen Yonathan über die Wangen. »Es wird alles gut werden«, sagte er mit bebender Stimme.
Sethur nickte noch einmal. »Das weiß ich, Yonathan. Nun liegt es in deiner Hand es auch so zu Ende zu bringen.« Sein Kopf sank zur Seite, sein Körper erschlaffte. Der Jäger vom Turm war gestorben.
Yonathan fühlte unbändigen Zorn in sich aufwallen. Langsam stand er auf und drehte sich um. Er durfte diesem Gefühl keinen Raum geben. Auch der Schlag gegen Sethur war nur ein neuer Winkelzug Bar-Hazzats gewesen, um ihn niederzuwerfen.
Seltsamerweise hatte sich Bar-Hazzat während der ganzen Zeit, als Yonathan Sethur im Arm hielt, abseits gehalten und die Szene mit einem spöttischen Lächeln verfolgt; er hatte wohl gehofft, den Widerstand seines Feindes gebrochen zu haben. Aber gerade der schritt nun unbeirrt auf ihn zu und blieb erst in kurzer Entfernung vor dem dunklen Herrscher stehen.
»Ihr habt verspielt, Bar-Hazzat.« Jeder Zweifel war aus seinem Sinn verschwunden.
»Du verkennst deine Lage,
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