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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Yonathan ausreichend Gelegenheit die Eindrücke zu verarbeiten, die er beim Durchqueren der Palastanlagen gewonnen hatte. Die königliche Residenz war so ungewöhnlich wie die sie umgebende Stadt; einzig die Palastmauern boten einen sicheren Anhaltspunkt, um im verwirrenden Durcheinander von Türmen und Türmchen nicht den Überblick zu verlieren.
    Nachdem die Geduld Yonathans und Gimbars genügend auf die Probe gestellt worden war, schwangen die beiden Flügel der großen, mit Intarsien reich verzierten Tür auf und sie konnten die Empfangshalle betreten, in welcher der König mit Bittstellern, Gesandten aus fernen Ländern, Klägern und Beklagten und anderen sprach, die seiner Aufmerksamkeit bedurften.
    Der Saal war in einem großen Rundbau untergebracht und, wie auch die übrigen anschließenden Gebäude, innen ganz mit kostbaren Hölzern ausgekleidet. Kleine bunte Vögelchen schwirrten durch die Luft oder saßen auf Stangen, die überall aus der runden Wand ragten. Farbstrotzende breite Bänder zogen sich zudem über Decke und Wand, was dem Innenraum das squaktypische Ambiente verlieh.
    König Kirrikch war noch in ein Gespräch mit einem erschreckend bunten Vogel vertieft – offenbar ein höherer Hofbeamter.
    Gimbar wippte nervös auf den Zehenspitzen. Unter seinem Arm klemmte ein kleiner Ballen roter Seide, eine Warenprobe, wie er Yonathan erklärt hatte. Dann winkte sie der prächtig schillernde Squak mit der rechten Ellenbogenhand herbei, eine schnelle, abgehackte Geste, die Ungeduld verriet.
    Vor dem Thron angekommen verneigte sich Gimbar auffallend tief. Yonathan folgte seinem Beispiel, eher zögerlich, denn es fiel ihm schwer, den Blick vom König abzuwenden.
    Kirrikch war ein Monarch von erstaunlicher Körperfülle. Er hatte ein voluminöses purpurrotes Gewand angelegt; goldene Tressen, gelbe, grüne, blaue und violette Bänder, schimmernde Knöpfe und geflochtene Riemen drängten die eigentliche Stoff-Farbe aber nahezu in den Hintergrund.
    Der Schnabel des Königs war fast bis zum Wurzelansatz schwarz. Yonathan hatte inzwischen erfahren, dass junge Squaks nach dem Schlüpfen einen vollkommen gelben Schnabel aufwiesen. Mit zunehmendem Alter wurde er dann von der Spitze ausgehend immer dunkler und konnte sich nach vielen Lebensjahren sogar völlig schwarz färben. Die strahlenförmige Musterung der gelben Schnabelwurzel war bei jedem der Vogelwesen verschieden und wurde von den Squaks als ein wichtiges Schönheitskriterium angesehen. König Kirrikch besaß zwar nur noch einen sehr schmalen, dafür aber besonders leuchtenden und ausdrucksvollen Strahlenkranz.
    Wider Erwarten eröffnete der Monarch selbst die Audienz, mit einer heiseren, krächzenden, einem Raben nicht unähnlichen Stimme: »Mit Erstaunen höre ich von der Ankunft eines Vertreters unseres angesehenen Tuchlieferanten Baltan.« Kirrikch wandte sich an Gimbar. »Und mit noch viel größerer Freude vernehme ich, dass es sich dabei um niemand Geringeren als den Zweimalgeborenen handelt. Normalerweise lassen mir die Regierungsgeschäfte keine Zeit, um mich persönlich mit meinen Lieferanten zu befassen, aber in diesem Fall ist es mir eine große Freude Euch in meiner Residenz willkommen zu heißen. Ich wünsche Euch allen Frieden Neschans.«
    Das Kratzen der königlichen Begrüßungsrede war verstummt, und der anwesende Hofbeamte deutete durch ein leichtes Heben seines Schnabels an, dass es Gimbar nun gestattet sei zu antworten.
    »Auch Euch allen Frieden, Majestät«, antwortete Yonathans Begleiter unbefangen. »Ich bitte Euch nicht allzu viel Aufhebens zu machen um meine Person und die meines…« Er hatte auf Yonathan verwiesen und suchte offenbar nach einer passenden Rolle für seinen Freund.
    »… Dieners«, half dieser ihm aus.
    Gimbar runzelte scheinbar unwillig die Stirn. »Meines Dieners, ja.« Zum Entsetzen des Hofbeamten beugte er sich dann verschwörerisch zu dem Herrscher vor und flüsterte: »Wir sind eigentlich in geheimer Mission bei Euch.«
    »So geheim, dass nicht einmal ich von Eurer angeblichen Verabredung mit mir wusste.«
    Gimbar zog den Oberkörper abrupt zurück und mit gekränkter Miene erwiderte er etwas brüsk: »Ich bin nicht für die Eintragungen in Eurem Terminplan verantwortlich.« Sein Blick streifte kurz den jetzt finster aussehenden Höfling, dem wahrscheinlich diese Aufgabe oblag, bevor er sich wieder vertraulich an den König wandte. »Wäre es möglich, Euch ungestört zu sprechen, Majestät?«
    Der runde Kopf

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