Isau, Ralf - Neschan 03
Majestät! Aber bedenkt den Gegenwert, den Ihr erhaltet: Unverwundbarkeit!«
Kirrikch bekam sich schnell wieder in die Gewalt; sein starkes Verlangen war jetzt für Yonathan deutlich spürbar. »Also gut. Solange dieser Stoff unverletzt bleibt, so lange soll auch der Pakt zwischen Baltans und meinem Haus gelten: Ihr bekommt Euer Kontor in Quirith. Ich werde sofort alles Nötige veranlassen. Ihr seid bis dahin selbstverständlich meine Gäste.«
»Da wäre noch etwas, Majestät…«
»Noch etwas?«
»Nur ein kleiner Gefallen, um den ich Euch bitten möchte. Die temánahischen Priester erschweren das Reisen zur Zeit sehr. Mein Diener und ich müssen dringend nach Tschirp. Wenn Ihr uns eine kleine Eskorte zur Verfügung stellen könntet, dann wäre es für uns sicher erheblich einfacher unbehelligt an die Ostgrenze Eures Reiches zu gelangen.«
Kirrikch überlegte nicht lange, er dachte nur an die Seide.
»Leider kann ich diesen schwarzen Vogelscheuchen nicht verbieten überall in meinem Reich herumzuschnüffeln. Ich bin selbst der Ansicht, dass Kaiser Zirgis’ Weltoffenheit in diesem Punkt ein wenig zu weit geht, aber mir sind die Flügel gestutzt. Mein Haus hat einst dem cedanischen Kaiserthron die Treue geschworen und auch ich unterliege dieser Bindung. Aber Euren Wunsch kann ich trotzdem erfüllen. Der Kaiser darf sich nämlich nicht in die inneren Angelegenheiten meines Hofes einmischen und wenn ich Euch ein paar Vögel aus meiner eigenen Leibgarde mitgebe, dann fällt dies in den Bereich meiner Souveränität. Ihr müsst mir allerdings versprechen, dass Ihr Euer wundersames Tuch nicht an die Ostleute verkaufen werdet.«
»Das geht in Ordnung. Ihr erhaltet den gesamten Vorrat, Majestät.«
»Gut.« Der König wedelte mit seinen Armen, als wolle er jeden Moment vom Boden abheben – ein Zeichen seiner Freude.
»Wenn auch ich eine Bitte an Euch richten dürfte, Majestät.«
Kirrikch und Gimbar blickten gleichermaßen erstaunt auf Yonathan, den Diener, der es gewagt hatte dem Dialog der Herren einen eigenen Wunsch hinzuzufügen.
»Euer Diener scheint mir ein sehr vorlauter junger Mensch zu sein«, sagte der König zu Gimbar.
»Wir beide kennen uns schon ziemlich lange. Da nimmt er sich manchmal gewisse Freiheiten heraus«, entschuldigte sich dieser. »Aber er würde sicher nicht gesprochen haben, wenn sein Anliegen nicht wichtig wäre.«
Kirrikchs Blick wanderte zu dem Bittsteller zurück. »Nun gut, junger Mensch. Mir scheint, dass ich heute schon so viele Regeln gebrochen habe, warum da nicht auch noch einem geschwätzigen Diener zuhören? Was also ist dein Begehr?«
»Vielen Dank, Majestät«, begann Yonathan. »Es ist allgemein bekannt, dass niemand so bewandert im Studium der Farben ist wie Eure Gelehrten.«
»Gut gezwitschert, Junge. Das ist wohl wahr.«
»Außerdem hörte ich, dass Eure Bibliothek hier«, Yonathan breitete die Arme aus, »mehr Bücher über Farben enthält als jede andere auf der Welt.«
»Wenn Euer vorlauter Diener auch ein komischer Kauz ist, so scheint er doch ziemlich belesen zu sein, Zweimalgeborener.«
»Wem sagt Ihr das, Majestät!«
Yonathan räusperte sich. »Eure Majestät, würdet Ihr mir gütigerweise die Erlaubnis erteilen mich heute Abend ein wenig in Eurer Bibliothek umzusehen?«
»Mit Freuden will ich dir diesen Wunsch erfüllen, junger Mensch. Ich schätze es immer sehr, wenn euresgleichen sich für die squakschen Wissenschaften begeistert. Suchst du etwas Bestimmtes?«
Yonathan zögerte. »Ich interessiere mich für Landmarken – Seen, Flüsse, Berge – mit einer ungewöhnlichen Farbe.«
»Welche meinst du?«
»Rot. Vorzugsweise Karminrot.«
»Etwa so wie diese Seide hier?«
Yonathan lächelte. »Ja, ziemlich genau dieser Farbton, Majestät.«
»Hm.« Der König kratzte sich nachdenklich an der Schnabelwurzel. »Vielleicht…« Sehr behände für seine ausladenden Körperformen eilte Kirrikch zu einem Regal und begann hektisch zu suchen, jetzt ganz in seinem Element. »Ja, hier!«, rief er herüber. »Trailers kleine Enzyklopädie der natürlichen Farbgestaltung – du glaubst gar nicht, welche außergewöhnlichen Farbkombinationen die Natur uns als Beispiel liefern kann, Diener Gimbars. Aber da müsste auch noch…« Kirrikch durchforstete eine weitere Regalreihe. »Ah ja, das hier: die Illustrierte Anthologie der chromatischen Differenzierungsmethoden in der Geologie – ein biss chen trocken, enthält aber viele interessante Hinweise. Und dann
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