Isau, Ralf - Neschan 03
des Königs schnellte ruckartig in Richtung seines persönlichen Sekretärs, verharrte für einen Augenblick dort und schwang dann wieder zurück – alles, ohne dass sich sein übriger Körper auch nur um eine Federkielbreite bewegt hätte. »Wahrscheinlich haben es wieder die Schmierfinken in den Schreibstuben vermasselt«, meinte er. »Zwitsch trifft bestimmt keine Schuld, er ist wachsam wie eine Eule. Aber was Eure Frage betrifft: Ich finde es nun doch ein wenig unangemessen gleich um eine Privataudienz zu bitten, nur um mir Eure neueste Kollektion zu zeigen.« Der König musterte mit schief gelegtem Kopf den Stoffballen in Gimbars Arm. »Das ist es doch wohl, was Ihr wollt, oder?«
Gimbar lächelte nachsichtig und flüsterte, leiser noch als zuvor: »Es ist kein normaler Stoff, den ich hier habe. Es ist sozu sagen eine… Geheimwaffe!«
»Eine Ge…«
»Schsch!«, machte Gimbar und blickte sich nervös um. »Nicht hier!«
»Also gut«, sagte Kirrikch, jetzt doch recht neugierig geworden. »Ich habe da einen sehr schönen Freiluftbalkon, ganz oben an diesem Turm.«
Gimbar verzog schmerzlich das Gesicht. »Mir wäre eine Unterredung in Euren Gemächern lieber.«
»Wie Ihr wollt. Obwohl Euch damit eine atemberaubende Aussicht auf Quirith entgeht.«
»Atemberaubend! Dessen bin ich mir sicher, Majestät. Ohne Frage.«
Der Ballen karminroter Seide entrollte sich schwungvoll auf dem langen Tisch in der Bibliothek des Königs.
»Ein wunderschöner Stoff«, gab Kirrikch zu. »Aber was ist so außergewöhnlich an ihm?«
Gimbar blickte sich noch einmal suchend um, als vermute er selbst hier Spione. Dann raunte er: »Der Stoff macht unverwundbar, Euer Majestät.«
Kirrikch ließ den Schnabel aufklappen und bekam runde Pupillen. »Ihr treibt Scherz mit mir, Zweimalgeborener.«
»Nie würde ich Derartiges wagen, Majestät! Hier, seht selbst.« Wie aus dem Nichts gegriffen, hielt der athletische Tuchhändler plötzlich einen blitzenden Dolch in der Hand, was dem König für einen Augenblick den Atem stocken ließ. Aber Gimbar stieß die Klinge nur auf den ausgebreiteten Stoff nieder, stach mehrmals darauf ein und vollzog schneidende Bewegungen – alles, ohne die Seide auch nur im Geringsten zu verletzen. Schließlich bot er dem König den Dolch auf offener Handfläche dar und lud ihn ein: »Versucht es selbst, Majestät.«
Kirrikchs Pupillen wurden jäh zu senkrechten Schlitzen. Er griff unter einen seiner vielen Riemen und zog eine eigene Klinge hervor. »Versteht mich nicht falsch…«
»Wo denkt Ihr hin, Majestät! Ein gesundes Misstrauen ist jedem Handel förderlich.«
Kirrikch prüfte die Seide auf seine Art: Er stach und schnitt, zerrte und setzte schließlich sogar seinen gebogenen Schnabel ein. Aber der rote Stoff zeigte sich unbeschädigt, er hielt allen Attacken stand.
»Verblüffend!«, gestand Kirrikch schließlich. Ein seltsames Glimmen trat in die Augen des Königs.
»Übernatürlich wäre wohl das passendere Wort.«
Kirrikch schaute Gimbar für einen Moment überrascht und nachdenklich an. Dann schnellte sein Kopf wieder zur roten Seide zurück. »Ich muss dieses Tuch haben! Koste es, was es wolle.« Sein Ton schwankte zwischen selbstbewusstem Anspruch und kaum gezügeltem Verlangen.
Gimbar blieb die Ruhe in Person. »Ich habe fünfzehn Ballen davon. Genug, um Euch und Eure Leibgarde unverletzlich zu machen.«
»Fürwahr!«, triumphierte der König mit kratzender Stimme. »Was wollt Ihr für die Seide haben, Gimbar? Sagt!«
»Für Euch ist sie sozusagen umsonst, Majestät.«
»Umsonst?«, wiederholte Kirrikch ungläubig.
»Umsonst?«, echote Yonathan.
»Ja, wie ich schon sagte«, bestätigte Gimbar. »Das heißt, nicht ganz.«
»Aha«, seufzte der König.
Yonathan atmete erleichtert auf.
»Kein Geld, kein Gold«, beeilte sich Gimbar zu versichern. »Nur einen Handelsstützpunkt für Baltan in Eurer Hauptstadt.«
Der König kniff ein Auge zusammen. »Damit kämt Ihr in den Genuss des Status eines ansässigen Handelsunternehmens und zudem wärt Ihr von allen Durchgangszöllen befreit.«
»Wir beliefern Eurer Majestät Hof seit vielen Jahren mit erstklassiger Ware und haben bisher immer Eure gewiss nicht niedrigen Zölle bezahlt.«
»Wollt Ihr damit andeuten, ich sei eine diebische Elster?«, ereiferte sich der König. Der bisher recht zugängliche Monarch begann zornig zu werden.
»Aber nein, Majestät.«
»Oder gar ein schräger Vogel? Ein Aasgeier?«
»Nie würde ich das wagen,
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