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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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ein, die sich uns darbieten.
    Justin hat drei jüngere Brüder, und weil der alleinerziehende Vater mit der Situation überfordert ist, leben die beiden älteren bei der Oma und ihrem Lebensgefährten. Justins Banknachbar Jack zeigt schon lange schwer depressive Züge, leidet unter starkem Übergewicht und ist leistungsmäßig auf dem Stand eines Drittklässlers. Höchstens. Beide Jungen gehen regelmäßig zum Psychologen, gelten als stark lernbehindert und erhalten stets leichtere Aufgaben und Tests als der Rest der Klasse.
    »Marcel auch?«, frage ich dazwischen.
    »Ja, und Aygül«, bestätigt Frau Sommer meine Vermutung.
    Talibe lebt mit ihren streng gläubigen Eltern und sechs Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung. Zu Hause wird sie zur massiven Mithilfe im Haushalt verdonnert, sodass sie dem schulischen Stoff seit Langem nicht mehr folgen kann. Ihre Sitznachbarin Samira lebt allein mit ihrer depressiven Mutter, ist schulisch eigentlich fit, aber oft unaufmerksam, undiszipliniert und unmotiviert. Die Eltern von Cai-Thao kommen aus Vietnam und sprechen kaum ein Wort Deutsch. Sie selbst gehört aber zu den Leistungsstärksten der Klasse und ist sowohl kognitiv als auch sprachlich und sozio-emotional sehr gut entwickelt.
    Anders verhält es sich bei Oktay. Er lebt allein mit seiner Mutter, die ihn vergöttert und sämtlichen Berichten über sein schlechtes Benehmen außerhalb der eigenen vier Wände keinen Glauben schenkt. Wie sein Nachbar Enis hat er wenig Probleme mit den Inhalten, die in der Schule vermittelt werden, hängt meistens jedoch mit einer großen und äußerst bildungsfernen Jugendclique rum. Enis und Oktay kamen schon öfter mit der Polizei nach Hause und verbringen ihre Freizeit wahlweise in der Shopping-Mall oder daheim – und dort meist vor dem Computer.
    Rico, der Junge auf dem isolierten Sitzplatz im hinteren Teil der Klasse, scheint ein besonderer Härtefall zu sein. Er gilt seit mehreren Jahren als verhaltensauffällig, aggressiv und lustlos. Mehrere Tadel und ein Schulwechsel prägen seine bisherige schulische Laufbahn; seiner alleinerziehenden und überforderten Mutter gegenüber verhält er sich ähnlich wie in der Schule.
    Bei Aygül liegt die ADHS -Diagnose noch nicht allzu lange zurück. Seitdem erhält sie Medikamente, die zwar ihr aufgekratztes Verhalten, nicht aber ihre schulischen Leistungen verbessert haben. Nur-Çan verbringt ihre Freizeit mit Oktay, Enis und deren Kumpels, die teilweise deutlich älter als die drei sind. Ihre schulischen Leistungen bewegen sich meistens jenseits der Vier. Auch Khalim ist Teil dieses Freundeskreises und wächst in einem Haushalt ohne Vater auf, in dem der Onkel die Rolle des männlichen Erziehungsberechtigten übernommen hat.
    »Der Onkel scheint in seinen Methoden etwas traditionell verhaftet zu sein«, bemerkt Frau Sommer mit einer hochgezogenen Augenbraue und erwähnt die Veilchen, mit denen Khalim wohl schon öfter in die Schule kam. Er zeigt stellenweise sehr gute schulische Leistungen und liegt vor allem im kreativ-künstlerischen Bereich weit vorne, jedoch fällt er immer wieder durch brutale Schlägereien und maßlose Frechheiten, vor allem gegenüber weiblichem Lehrpersonal, auf. Seit seinem Eintritt in den Boxverein hat sich sein Verhalten jedoch etwas gebessert.
    Melek und Medina sind seit Langem beste Freunde. Ihre Leistungen liegen schriftlich nur leicht unter dem Durchschnitt, mündlich beteiligen die beiden sich allerdings nur auf Nachfrage und dann meist mangelhaft. Ali und Mohamed wurden beide im Libanon geboren und leben erst seit einem Jahr in Deutschland. Wegen ihrer Sprachdefizite lassen sich über ihr tatsächliches schulisches Leistungsvermögen bisher kaum zuverlässige Aussagen treffen. Amir hingegen ist der Sohn einer sehr gebildeten Frau aus dem Jemen, die beim Rundfunk arbeitet und die schulische Karriere ihres Sohnes mit viel Aufmerksamkeit und Engagement begleitet. Mit Cai-Thao zusammen gilt er als leistungsstärkster Schüler. Sein Nachbar Marcel stammt aus einer kinderreichen Familie des sogenannten deutschen Sozialhilfeadels. Seine Eltern, Onkel und Tanten sind größtenteils Hartz IV Empfänger, und wegen seiner Lernbehinderung hat er massive Probleme, den Anforderungen der Schule gerecht zu werden.
    »Und dann wäre da noch Sebastian«, sagt Frau Sommer mit einem Seufzen. »Ihn hat es in Sachen familiärer Hintergrund vielleicht am härtesten getroffen.«
    Über seinen Vater ist nur bekannt, dass er

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