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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Kids, sich im Mittelkreis hinzusetzen.
    »Ohne Bälle! Nicht prügeln! Auf den Hintern setzen!«
    Jede Anweisung muss hier in unmissverständlichen Hauptsätzen ausgesprochen werden. Während die meisten nun endlich sitzen, kommen vereinzelte Nachzügler in die Halle und quetschen sich dazwischen.
    »Sechzehn Minuten sind nun seit dem Klingeln vergangen«, beginne ich meine Auftaktrede. »Und das ist deutlich zu lange. Abgesehen von den zwei Prügeleien in den Kabinen, möchte ich …«
    »Aber er hat meine Mutter Hure gesagt«, unterbricht mich Oktay.
    Stille kehrt ein. Auf meine ruhige Frage, ob er mich unterbrochen habe, versucht er sich zu rechtfertigen, doch meine Strafe ist klar: zwei Runden laufen.
    »Wie viel?«, fragt er fassungslos.
    »Drei.«
    Während Oktay in lockerem Jogging seine Strafrunden antritt, erkläre ich den anderen die Regeln für meinen Sportunterricht und lasse sie anschließend ebenfalls laufen. Geierchen erscheint vor meinem inneren Auge und flüstert: Mach sie fertig, die armen Teufel, die brauchen Bewegung, die sind überhaupt nicht ausgelastet!
    »Danach kommt ihr wieder in den Mittelkreis!«
    Ich beobachte die Kids beim Joggen und stelle dabei fest, dass die Leistungsunterschiede – wie in allen anderen Fächern auch – gravierend sind. Während einige wenige Kinder locker flockig ihre Runden drehen, kann man die Bewegungen anderer Kinder nur noch als Stolpern bezeichnen. Schon nach wenigen Sekunden setzen einige gequälte Gesichter auf und haben offensichtlich große Mühe, ihre überflüssigen Pfunde durch die muffige Halle zu wuchten. Bereits nach der ersten Runde sitzen die Ersten hechelnd auf der Bank. Melek weint sogar vor Erschöpfung – und das, obwohl eine Runde in der Turnhalle gerade mal fünfzig Meter beträgt. Mit einem lauten Pfiff beende ich das Trauerspiel und signalisiere den Kids, dass sie sich im Mittelkreis versammeln sollen.
    Wer kennt sie nicht, die Bilder aus dem Fernsehen, in denen übergewichtige Kinder unter größter Anstrengung versuchen, sich sportlich zu betätigen? Noch vor ein paar Tagen wollte ich mehr über das Thema Übergewicht bei Grundschulkindern wissen und wurde von den Suchergebnissen im Internet fast überrollt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt an, dass jedes zehnte Kind übergewichtig sei. Hier sind es noch mehr, aber nicht nur die dicken Kinder bewegen sich so, als hätten sie zu viel auf den Rippen.
    »Wer von euch geht nach der Schule zum Sport?«, will ich nach der ersten Übung wissen.
    Ein Mädchen und zwei Jungs melden sich. Samira geht zum Turnen, Khalim boxt, Oktay spielt Fußball. Drei von fünfundzwanzig, ich kann es kaum glauben.
    Dann meldet sich Jack und erzählt, dass er einmal beim Fußballtraining gewesen sei. »Aber denn der Trainer hat jesacht, ick soll erstmal abnehmen«, beendet er seine traurige Geschichte. Als die Klasse ihn dafür lauthals auslacht, weiß er keinen anderen Weg, als sich hinter seinen Händen zu verstecken.
    Ich pfeife wieder laut und schicke Justin, der beim Lachen sogar auf Jacks Bauch geschlagen hat, auf die Bank. Langsam verliere ich die Hoffnung, den Sportunterricht tatsächlich bewältigen zu können. Dann fällt mir Geierchen wieder ein, also entscheide ich mich für eine bewegungsintensive Übung: Staffellauf. Den Ablauf wiederholen wir drei Mal, bis auch das letzte Kind die Regeln verstanden hat. Die übrige Zeit reicht gerade mal für ein simples Spiel, das die Kinder mir erklären. Die Umkleideprozedur beobachte ich diesmal genauer, und nachdem ich irgendwann auch die Langsamsten aus der Kabine gescheucht habe, gehe ich mit dröhnendem Schädel in meine verdiente Pause.

12
Sonne, Mond und Sterne

    N ach meinem Einstieg in den Sportunterricht bin ich am nächsten Tag heilfroh, statt einer Turnhalle einen normalen Klassenraum zu betreten.
    »Cassandra, es reicht jetzt! Setz dich sofort hin!«, brüllt die Klassenlehrerin eine ihrer Schülerinnen an, als ich in die Klasse komme. Frau Krüger ignoriert meine Ankunft komplett, atmet einmal tief durch und beginnt dann ihren Unterricht.
    »Aufgepasst! Es holen sich bitte alle ihre Hefte!«
    Die Kids rennen los und durchsuchen ihre Fächer nach Materialien, wobei ein heilloses Durcheinander entsteht. Nach zwei weiteren Schreiattacken meiner anscheinend völlig überforderten Kollegin sitzen die meisten Kids an ihren Plätzen und beginnen mit der Arbeit.
    »Ich geh hier noch kaputt! So ein Chaos … Wer hat sich diesen JÜL

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