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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Minuten wieder den entspannten Lehrer zu spielen. Meinen Ärger kann ich nur dämpfen, indem ich mir mal wieder vor Augen halte, dass auch ich – unter bestimmten Umständen – zu solch einem rücksichtslosen Typen hätte werden können.
    Am Nachmittag, auf dem Weg nach Hause, bin ich immer noch so wütend, dass ich mich langsam fragen muss, ob ich auch bei einem Menschen ohne Migrationshintergrund so reagiert hätte. Glücklicherweise übersieht mich kurze Zeit später ein Rechtsabbieger, als ich mit dem Fahrrad eine grüne Ampel überquere, und fährt mich fast über den Haufen. Meine Wut erreicht nun einen vorläufigen Höhepunkt, und so frage ich den Fahrer des Wagens aufgebracht, ob er in Zukunft vielleicht nicht lieber mit dem Bus fahren wolle.
    »Fahr jetzt ma weiter, du kleiner Pisser«, fällt ihm dazu nur ein, und weil ich kurz vorm Explodieren bin, möchte ich ihm am liebsten mein Fahrrad auf die Frontscheibe schmettern. Als mir ein paar Ampeln später klar wird, dass der Typ genau so deutsch war wie ich, bin ich zwar etwas beruhigt, fahre aber dennoch schimpfend weiter. Rücksichtslosigkeit kennt eben auch keine Ländergrenzen.
    Zwanzig Minuten später betrete ich immer noch schlecht gelaunt meine WG , wo mich Sarah mit einem breiten Grinsen und einem Brief in der Hand empfängt.
    »Jetzt nicht«, wehre ich entnervt ihren Versuch ab, mir etwas zu zeigen. »Ich muss mich erst …«
    »Lies!«, befiehlt sie und versichert mir, dass es mir dann besser ginge. Na gut. Am Briefkopf erkenne ich die Uni Potsdam als Absender, woraufhin sich meine Laune schon etwas hebt. Gespannt überfliege ich den Brief, bis ich schwarz auf weiß lesen kann, dass Sarah einen Studienplatz in Potsdam bekommen hat. Ich kann es nicht fassen und lese den Abschnitt mehrmals durch.
    »Heißt das …«
    »Ja«, unterbricht sie mich. »Ich hab den Studienplatz in Potsdam und ziehe nicht nach Oldenburg!«
    Ein riesiger Stein der Erleichterung fällt mir vom Herzen. Wir fallen uns in die Arme und jubeln. Erst jetzt, als die bedrohliche Fernbeziehung abgewendet ist, gestehen wir uns unsere Angst davor ein. Um die Frage, die nun aber in der Luft schwebt, drücke ich mich noch einen Moment. Immerhin stehen wir gerade vor einer wichtigen gemeinsamen Entscheidung.
    »Was hältst du davon …«, beginne ich unsicher und schaue in ihr erwartungsvolles Gesicht, »… wenn wir uns eine gemeinsame Wohnung suchen?«
    Sarah schlingt die Arme um mich und drückt sich mit aller Kraft an mich.
    »Sehr gerne«, flüstert sie mir ins Ohr. »Ich hab mir so sehr gewünscht, dass du mich das fragst.«

13
Germany’s next Schulchor

    A ls ich ein paar Wochen nach der guten Nachricht aus Potsdam den Musikraum betrete, steht Cedric auf dem Tisch von Ardahan und brüllt ihn wütend an.
    »Geh doch Puff, Alta!«
    Ardahan sitzt auf seinem Platz und reagiert auf die Beschimpfung mit der einfachen wie genialen Taktik, jede Beleidigung eins zu eins zurückzugeben, dabei allerdings immer die Mutter des Kontrahenten ins Spiel zu bringen.
    »Deine Mutta geht Puff!«
    »Was, meine Mutta geht Puff?«, brüllt Cedric wieder. » Deine Mutta geht Puff, ja?«
    Ein billiger Konter. Cedrics Kopf ist knallrot, und seine Brille droht ihm von der Nase zu fallen.
    »Deine Mutta guckt Pornos, ja?«, fällt Ardahan ein. Noch immer bewahrt er dabei vollends die Fassung – im Gegensatz zu Cedric, der offensichtlich jeden Moment kollabiert vor Wut.
    »Deine Mutta macht Pornos! Sie ist der Ress-sie-schör!«
    Bis auf die beiden Jungs haben alle bemerkt, dass ich im Türrahmen stehe und warte, bis sie sich abgeregt haben.
    »Deine Mutta is ein dreckige …«, giftet Ardahan zurück, doch von der Vollendung dieses Satzes kann ich ihn gerade noch abhalten.
    Als Cedric mich erblickt, sucht er sichtlich angestrengt nach einer angemessenen Reaktion und steigt dann langsam vom Tisch. Auf seine Rechtfertigungsversuche gehe ich nicht weiter ein, sondern mache es mir stattdessen am Lehrertisch bequem. Wie viele andere meiner Schüler leidet Cedric unter dem berühmten ADHS , was seine Mitschüler ganz genau wissen.
    »Cedric hat heute seine Tabletten nisch genommen, dann er is immer so drauf«, petzt Seda und guckt ihn dabei schadenfroh an.
    Ihr Plan geht auf: Cedric geht reflexartig auf sie los, nur meine laute Stimme kann ihn noch stoppen. Während die Kids ihre Tische von allen Dingen befreien, die nicht in den Musikunterricht gehören, bitte ich Cedric zum Gespräch. Als er Sedas Tisch

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