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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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sogar die zurückhaltenden Kids meiner Klasse bei mir mehrfach über ihren Unterricht, vor allem aber über ihren Tonfall beschwert hatten, bat ich Frau Juhnke darum, mich ein paarmal als Zweitlehrer einzuteilen – und musste den Kids uneingeschränkt zustimmen. Klassischer Frontalunterricht, inhaltlich vollkommen an der Lebenswelt der Kinder vorbei und in einem Befehlston, der mich mehrmals hat zusammenzucken lassen! Auch ich würde schlechte Laune bekommen, wenn ich das Unterrichtsfach Deutsch bei Frau Uhle in meinem Stundenplan entdecken würde.
    Eigentlich wollte ich Rolf diese Angelegenheit klären lassen, aber da die Lage nun akut wird, muss ich wohl etwas unternehmen.
    »Was hat Sebastian denn gesagt?«, will ich von ihr wissen, doch sie presst die Lippen aufeinander und schaut betreten zu Boden.
    Die Lage scheint mir verfahren. Frau Uhles Unterricht ist das beste Beispiel für eine weitverbreitete Lernkultur, die landläufig gern als Lernbulimie bezeichnet wird. Nach meinen Erfahrungen wird an unserer Schule zu großen Teilen so unterrichtet: Im Vorfeld einer Klassenarbeit verabreicht die Lehrerin den Schülern das Wissen, das diese zum Prüfungstermin brav wieder auskotzen müssen.
    Während Frau Uhle weiter über die Schüler der 6a meckert, kommt mir eine Idee: In einer Nacht- und Nebelaktion könnte man den Eingang unserer Schule – und vermutlich auch vieler anderer schulischer Einrichtungen – mit den drei großen Buchstaben ILB verzieren: Institut für Lernbulimie. Als Werbeslogan würde ich dann noch darunterschreiben: REINFRESSEN , RAUSPRESSEN , VERGESSEN . HIER WIRD DER SPA ß AM LERNEN GANZ KLEIN GESCHRIEBEN !
    Dann wüssten wenigstens alle, was sie erwartet.
    Mit diesem Vorgehen geschieht natürlich genau das, was nicht nur in den PISA -Studien stark bemängelt wurde: Nach den Prüfungen bleibt von dem hineingestopften Wissen nichts mehr übrig. Es scheint, als würden die Schüler nach der Klassenarbeit auf einen roten Knopf drücken und damit sämtliche auswendig gelernten Inhalte für immer von der Festplatte löschen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Im Zusammenhang mit dem Stress, der bei einem solchen Unterricht entsteht, entwickeln die Kids eine derart starke Aversion gegen die Lerninhalte, dass sie sich davon so schnell wie möglich wieder befreien wollen. Zu Recht, wie ich finde.
    Frau Uhle geht in die Jammer-Endlosschleife, also lehne ich mich mit der Schulter an die Wand, nicke in regelmäßigen Abständen verständnisvoll und nutze diesen Moment, um die theoretischen Inhalte meiner Hirnforschungsseminare auf die Schulpraxis anzuwenden.
    Interessanterweise gibt es nämlich Schüler, die in der Schule vollkommen versagen, aber bei sämtlichen Aktivitäten, die ihnen Spaß bereiten, zu Höchstleistungen auflaufen – seien es Computerspiele, Bundesligatabellen oder die Texte ihrer Lieblingssongs. Auch unser Haudegen Sebastian hat wahrscheinlich mindestens eine Fähigkeit, die im Deutschunterricht einfach noch nicht zum Vorschein kam. Die kognitiven Kapazitäten sind nämlich bei den meisten Kids vorhanden, doch schafft es althergebrachter Unterricht eben nicht mal ansatzweise, die emotionalen Voraussetzungen für Lernprozesse zu schaffen.
    Dazu kommt, dass alle erworbenen Kenntnisse und erlernten Fähigkeiten wiederholt zur Anwendung kommen müssen, damit sie einen dauerhaften Platz in den Tiefen unserer Hirnwindungen finden – was sich mit dem wunderbar kurzen und knackigen englischen Satz »Use it or lose it!« ausdrücken lässt, also: Benutz es oder vergiss es. Solche hirnphysiologischen Verknüpfungen lassen sich mit Spuren im Schnee vergleichen, die mit jedem Gang stärker zu sehen sind, irgendwann zu einem Trampelpfad und schließlich zu einem gut begehbaren Weg werden. Weil aber der Großteil des Wissens in unserem Schulsystem so weltfremd und zweckfrei erscheint, dass er von den Kids fast nie wiederholt wird, sind die Hirnpfade längst wieder zugeschneit, bevor sie eine Chance haben, sich zu Wegen zu entwickeln, die ihren Namen auch verdient haben.
    Nun gut, all das sind zwar Erklärungen für das Desinteresse der Schüler, aber trotzdem muss etwas gegen deren Verhalten getan werden. Schließlich trägt auch eine Frau Uhle keine Schuld daran – denn dann müsste ich auch einem KFZ -Mechaniker den Vorwurf machen, dass er keine Elektromotoren reparieren kann. Die Anforderungen an den Lehrerberuf haben sich in den letzten Jahren offensichtlich so dramatisch geändert, dass

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