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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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sicher schon auf mich, denn heute beginnt nämlich mein kommissarischer Einstieg als Deutschlehrer in Chrissis Klasse.
    Nachdem ich mir von ihr die Bücher habe erklären lassen und Teile eines anderen Buches provisorisch als Hausaufgabenhefte vorbereitet habe, wage ich mich an diese neue Herausforderung.
    Die Kids sind furchtbar aufgeregt, als ich die Klasse betrete, denn offensichtlich haben sie schon von meiner neuen Funktion gehört. Nachdem ich ihnen mitgeteilt habe, dass ich ab sofort ihr neuer Deutschlehrer bin, fordere ich sie auf, ihre Deutschmaterialien zu bearbeiten, und so nimmt die Stunde schnell den üblichen Verlauf an: Die Kinder arbeiten an ihren Aufgaben, während die unterstützende Erzieherin und ich durch den Raum laufen und helfen. So sieht hier also der Deutschunterricht aus. Zwei fachfremde Personen unterstützen einen Haufen Kinder beim Erlernen der Landessprache, die sie größtenteils nur bruchstückhaft beherrschen.
    Was bruchstückhaft in diesem Zusammenhang bedeutet, zeigt auch folgendes Gespräch, in das mich zwei Schüler mit türkischem Migrationshintergrund verwickelten.
    »Herr Mülla, was bist du?«, fragt mich der kleine Birkan, als ich an seinem Tisch vorbeilaufe.
    Mir wurden schon viele komplizierte Fragen gestellt, aber diese hat es echt in sich. Philosophische Abhandlungen über das menschliche Dasein in den unendlichen Weiten des Universums werden die Jungs wohl kaum verstehen, also muss ich anders an die Sache herangehen.
    »Ich bin Herr Möller.«
    »Nein, sch’meine …« Er nimmt den Zeigefinger in den Mund und überlegt. Nach einer kurzen Beratung mit seinem Tischnachbarn probiert er es noch einmal. »Also, Herr Mülla, kumma: Was bist du? Also, Dings, was bist du für eine Mensch?«
    An meinem Blick erkennt er, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet. Dann hat sein Nachbar einen Geistesblitz, auf den er mit hektischen Gesten reagiert. Während Birkan noch vor sich hin redet, macht sein Nachbar uns klar, dass er die Frage jetzt endlich richtig formulieren kann.
    »Kumma, kumma, kumma …«, wiederholt er so lange, bis er unsere ungeteilte Aufmerksamkeit genießt. »Kumma: Isch bin Fenerbahce, er ist Galatasaray, und meine Onkel, er is Be ş ikta ş – was bist du?«
    Meine Kenntnisse über Fußball beschränken sich auf die Weltmeisterschaft 1990, die ich als Zehnjähriger genauestens verfolgt habe. Obwohl wir damals den Titel geholt haben, verlor ich nur wenige Monate später das Interesse an dieser Sportart. Aus meinem Besuch bei Freunden in Istanbul weiß ich aber, dass es sich bei dem, was Birkans Banknachbar gerade aufgezählt hat, um drei Istanbuler Bezirke und deren konkurrierende Fußballklubs handelt.
    »Ich bin gar nichts«, sage ich lachend, woraufhin die beiden eine ratlose Miene aufsetzen. Offener Mund, Zunge leicht draußen, langsames Blinzeln, gerunzelte Stirn.
    »Gar nix?«
    Diese Antwort können sie nicht einordnen, also erkläre ich ihnen, dass ich kein Fußballfan bin, keine Lieblingsmannschaft habe und nur ganz selten Fußball gucke. Langsam wird ihnen klar, was ich meine, und nach einem ungefähr dreißigsekündigen Erkenntnisprozess bekommen sie einen Staunanfall.
    »Ohaaaaaaa …«
    »Züüüüüüüüüsch!«
    »Abboooooo …«
    »Er’s ieberkrass!«
    »Er hasst Fußball!«
    »Vallaaaaaaaah …«
    Ich verlasse kopfschüttelnd den Tisch und halte mir noch einmal vor Augen, wie eingeschränkt manche Kinder in ihrer Kommunikationsfähigkeit sind. Um herauszufinden, welche Fußballmannschaft ich favorisiere, fragen sie mich, was ich bin! Gut, die Jungs sind erst in der zweiten Klasse – aber ein solcher Sachverhalt sollte eigentlich im sprachlichen Horizont eines Kindergartenkindes liegen. Wer wundert sich bei solchen Beispielen noch darüber, dass unter diesen Kindern ständige Konflikte auftreten? Wie könnte man von ihnen erwarten, Streitigkeiten mit Worten auszutragen?
    Als Nächstes bittet mich Tiffany um Hilfe, und das könnte noch spannender werden. Tiffany ist ungefähr doppelt so schwer wie die anderen Mädchen ihrer Entwicklungsstufe. Das liegt nicht nur an ihrem Übergewicht und ihrer Größe, sondern auch an ihrem Alter: Sie hinkt zwei Klassen hinterher. In der zweiten Klasse, wohlgemerkt. Über ihre Eltern weiß ich gar nichts, aber an Tiffanys Gebiss kann ich erkennen, dass Zahnarztbesuche zu den eher seltenen Aktivitäten der Familie gehören. Ihre riesigen Zähne stehen krumm und schief, teilweise in zwei Reihen, im Kiefer herum

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