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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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und machen nicht den Eindruck, als würden sie regelmäßig geputzt. In ihrem Alter sind es natürlich längst die zweiten, und ich bin mir nicht sicher, ob eine Zahnspange diesen Wildwuchs noch begradigen kann. Zu allem Unglück gehört Tiffany außerdem zu den Kindern, die den Mund fast immer offen haben, meist mit einem Finger darin herumspielen oder mit der Zunge ihr Kinn ablecken. Im Sportunterricht mit dieser Klasse kann ich regelmäßig beobachten, wie sie ihren großen Körper mit den heftigen X-Beinen nur mit viel Mühe vorwärtsbewegt, wobei ihre Arme lustlos am Körper herunterhängen.
    Jetzt sitzt sie ebenso lustlos am Tisch und versucht sich an den Deutschaufgaben der zweiten Klasse – obwohl sie altersmäßig bereits in der Vierten sein müsste.
    »Herr Mülla, schie scheht daf? Manno – isch vaschtehs näsch!«
    Und ich verstehe sie nicht. In der Tat. Bei fast jedem Satz von Tiffany muss ich nachfragen oder mir aus dem Kontext erschließen, was sie mir mitteilen möchte, und mit dem Finger in ihrem dentalen Schlachtfeld wird es noch schwieriger.
    Als ich mich zu ihr setze, setzt sie eine verzweifelte und demotivierte Miene auf. Dann zeigt sie wortlos auf ihr Arbeitsheft, in dem Begriffe abgeschrieben werden sollen. Beim Betrachten ihrer bisherigen Arbeit fällt mir auf, dass ihr Schriftbild eher an Zeichnungen erinnert. Als sie unter meiner Anleitung mit dem Abschreiben fortfährt, wird klar, dass ihr jegliche Feinmotorik fehlt, um den Anforderungen des Schreibens gerecht zu werden. Ich helfe ihr noch ein paar Minuten, muss sie dann aber wieder ihrem Schicksal überlassen, auch wenn sie zu den vielen Fällen gehört, die eine ganztägige Einzelbetreuung bräuchten, um das Lernpensum unseres Schulsystems einigermaßen zu bewältigen. Schließlich gibt es neben Tiffany in dieser Klasse noch mehr als zwanzig andere Kinder, und nach einer vorsichtigen Einschätzung würde ich sagen, dass mindestens vier von ihnen ähnlich viel Hilfe in Anspruch nehmen würden wie sie. Doch bevor ich mich den anderen widme, trage ich meine Beobachtungen ins Klassenbuch ein: Tiffany weist massive sprachliche, psychomotorische und kognitive Differenzen auf – Logopädie, Ergotherapie, zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlung nötig?
    Dafür ist es zwar schon recht spät, aber nicht zu spät. Als ich mir den Satz noch einmal durchlese, frage ich mich jedoch, wer sich darum eigentlich kümmern soll. Ich bin doch jetzt auch Klassenlehrer hier – zumindest stellvertretender. Da muss wohl ein Gespräch mit den Eltern her. Aber wie vermittelt man denen so etwas? Ich stelle mir vor, wie ich mit Mama und Papa von Tiffany im Klassenraum sitze und denen die Arbeitsergebnisse ihrer Tochter zeige. Dann müsste ich ihnen erklären, wie es um Tiffany bestellt ist, was ungefähr so klingen würde: »Ihre Tochter ist zwar schon neun Jahre alt, aber leistungsmäßig auf dem Stand einer Zweitklässlerin – wenn überhaupt. Ihre Fortbewegung ist wegen der Beinstellung und ihres Übergewichts ziemlich eingeschränkt, ihre Feinmotorik reicht zum Schreiben nicht aus, und ihre sprachliche Entwicklung hat vor schätzungsweise fünf Jahren aufgehört. Zudem ist sie lernbehindert und weist große Motivationshemmungen auf. Bitte vereinbaren Sie Termine beim Logopäden, Psychologen und Ergotherapeuten. Ach ja: Sie müssen außerdem schleunigst mit ihr zum Zahnarzt und zum Kieferorthopäden.«
    Wohl kaum.
    Der nächste Schüler ruft mich. Auch er trägt den unglaublich häufigen Namen Ali und ist – das habe ich erst sehr spät bemerkt – der Bruder von Talibe aus meiner 6a. Gemeinsam mit ihren Eltern und weiteren fünf Geschwistern leben die beiden in einer kleinen Zweizimmerwohnung nahe der Schule. Ali ist ein verdammt lieber Kerl, der sich seit meinem Auftauchen in der Klasse immer wieder vertrauensvoll an mich wendet.
    »Herr Müller, weisht du wash?«
    Während viele andere Kids große Probleme mit dem weichen ›ch‹ haben, weshalb sie ›isch‹ statt ›ich‹ sagen, ist es bei ihm anders: Statt den Lauten ›s‹ und ›sch‹ verwendet er stets einen Ton, der sich kaum aufschreiben lässt. Es klingt ein bisschen wie das englische ›sh‹.
    »Was denn, Ali?«
    »Meine Mutter, shie kann heute nish kochen. Wegen shie ish shon wieder Krankenhaush!«
    »Ist ihr etwas passiert? Warum ist sie denn im Krankenhaus?«, frage ich erschrocken.
    Er lächelt mich verlegen an.
    »Wegen shie ish schon wieder shwanger! Heute ish kriege noch

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