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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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komme ich nach Hause, wann ich will.« Ich springe auf und will zur Tür raus.
    Â»Da ist ein Wolf im Wald, Jola.«
    Â»Was?« Abrupt drehe ich mich um. »Was hast du da gesagt?«
    Â»Kai kam heute Morgen zu uns. Bernd hat drei tote Schafe auf seiner Weide gefunden und Papa sollte sie sich ansehen.«
    Â»Aber, das war doch bestimmt Zackes Rottweiler«, stottere ich. Es ist vorbei. Die Wölfin hat erneut zugeschlagen und bald werden meine Geheimnisse Dorfgespräch sein.
    Â»Nein, Jola. Trefflich war gerade hier. Er behauptet felsenfest, einen Wolf gesehen zu haben im Wald. Deshalb hatte ich solche Angst um dich.« Tränen stürzen ihr aus den Augen.
    Ich knie mich neben sie und nehme sie in die Arme. »Ach, Mami, mir passiert schon nichts. Wann begreifst du das endlich?«
    Â»Aber ein Wolf so nah am Dorf.«
    Â»Es ist eine Wölfin und sie ist schon seit Monaten da. Ich habe sie beobachtet. Sie hat Angst vor Menschen, Ma.«
    Ich helfe meiner Mutter auf die Beine. »Geht es wieder?«
    Â»Ja, geht schon.«
    Â»Leg dich rüber auf die Couch, okay? Ich bringe dir deine Pillen und ein Glas Wasser, ja?«
    Meine Mutter tappt mit unsicheren Schritten ins Wohnzimmer. Als ich ihr eine Tablette und das Glas Wasser reiche, sagt sie: »Bleibst du ein bisschen bei mir sitzen, Jola?«
    Â»Ja, na klar.«
    Und dann – nach einer gefühlten Ewigkeit – höre ich endlich, wie meine Mutter mit geschlossenen Augen ruhig und gleichmäßig atmet.
    Vierzig Minuten später bin ich in Oleks Höhle, aber er ist nicht da. Ich weiß, dass Trefflich und mein Vater durch den Wald streifen, auf der Suche nach der Wölfin. Ich hoffe, dass sie sie nicht finden, dass sie die Höhle mit den Jungtieren nicht finden.
    Die Welpen sind rasend schnell gewachsen und benehmen sich inzwischen wie richtige Teenager. Sie sind ausgelassen und neugierig. Ich habe Angst, dass ihnen das zum Verhängnis werden könnte.
    Das Warten im Halbdämmer der Höhle macht mich ganz verrückt. Die Minuten ziehen sich, zäh wie Kaugummi. Da wir den ganzen Vormittag zusammen waren, rechnet Olek nicht mehr mit mir. Er kann überall sein.
    Ich schlüpfe noch einmal nach draußen, um mich zu vergewissern, dass vor dem Brombeerfelsen nichts auf den Höhleneingang hinweist. Aber mein Vater hat Wilma dabei, und wenn er mit ihr in die Nähe der Höhle kommt, wird sie sie ihm zeigen.
    Ich lausche. Nichts. Ich kann nicht rufen, ich kann nur dasitzen und warten.
    Als Olek endlich in der Höhle auftaucht, springe ich auf und umarme ihn heftig.
    Â»He.« Sanft schiebt er mich von sich. »Du bist wieder da.« Er lächelt. »Du hattest Sehnsucht nach mir.«
    Â»Ja. Nein. Olek …«
    Â»Was?«
    Â»Die Wölfin hat wieder zugeschlagen, diesmal gleich drei Schafe aus der Herde von Kais Vater.«
    Â»Do diabla!«
    Â»Mein Vater und Trefflich, sie sind schon auf der Suche nach Spuren. Trefflich hat die Wölfin gesehen, es ist nicht mehr aufzuhalten, Olek. Mein Vater hat Wilma dabei und früher oder später wird er deine Höhle finden. Du musst hier weg, Olek. Du musst dich in Sicherheit bringen.«
    Ich habe es gesagt. Es ist das Letzte, was ich will. Es bricht mir das Herz. Aber es ist das Vernünftigste.
    Â»Es gibt keine Sicherheit, Jola«, ist Oleks Antwort.
    Â»Aber hier kannst du nicht bleiben, nicht für immer. Das hier ist Deutschland, da muss alles seine Ordnung haben. Schon allein dafür, dass du nicht zur Schule gehst, können sie dich einsperren. In einer Höhle leben, mit Pfeil und Bogen jagen, Wölfe füttern, so etwas gibt es nur im Märchen.«
    Ich umarme ihn. Küsse ihn. Olek macht sich steif. Er sagt nichts.
    Â»Okay, dann machen wir es ganz anders. Melde dich bei den Behörden. Dein Patron in Berlin, der hat dich längst vergessen. Und was du von den Leuten aus dem Dorf genommen hast, das gibst du zurück. Ich kann dir helfen, die Lebensmittel zu ersetzen. Du kannst bei uns wohnen, die Schule nachholen, ein ganz normales Leben haben.«
    Träum weiter, Jola.
    Â»Olek, ich …«
    Â»Geh jetzt nach Hause, ja? Ich muss nachdenken.«
    Todunglücklich mache ich mich auf den Weg. Wie in Trance stelle ich mein Rad in den Schuppen, und als ich mich umdrehe, steht auf einmal Kai in der Tür.
    Ein heiserer Schrei kommt aus meiner Kehle. »Verdammt noch mal, Kai, ich hab dir gesagt, du sollst

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