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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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gefunden hatte.
    Â»Der Mörder hat Alinas Kleid damals in den Wohnwagen deines Onkels gelegt, er muss also …«
    Jemand klopft an die Küchentür. Tobias springt erschrocken auf und öffnet. Noch ehe er etwas sagen kann, hat Clemens schon eine Hand an seine Wange gelegt und ihm einen innigen Kuss auf die Lippen gedrückt. Dann erst entdeckt er mich, wie ich mit offenem Mund auf der Küchenbank sitze.
    Â»Scheiße«, entfährt es Clemens. »Was macht die denn hier?«
    Â»Hi Clemens.« Ich versuche zu lächeln. »Tobi und ich, wir hatten dies und das zu besprechen, aber ich muss jetzt sowieso los.«
    Als ich an Clemens und Tobias vorbei zur Tür gehe, hält Clemens mich am Arm fest. »Behalte es für dich, Jola, okay? Ich bin einfach noch nicht so weit. Du weißt ja, wie die Leute sind.«
    Â»Klar«, sage ich mit rauer Stimme und mache mich schleunigst vom Acker. Ich habe jetzt wirklich andere Sorgen, als irgendjemandem zu erzählen, dass Tobias Zacke, der Schrottkünstler, und Clemens Neumann, der smarte Architektensohn, ein Paar sind.
    Meine Füße lenken mich ganz automatisch zum Haus von Tante Lotta, doch als ich vor ihrer Tür stehe und das Schild lese, fällt es mir wieder ein: Vom 6. bis zum 15. Juli bleibt die Töpferwerkstatt geschlossen. Tante Lotta ist bei Thomas am Starnberger See. An diesem Wochenende findet dort ein großer Keramikmarkt statt und sie ist mit ihrem Van voller Tontöpfe und ihren Figuren der Düsternis dorthin gefahren. Nach dem Markt will sie noch eine Woche Urlaub mit Thomas dranhängen.
    Folge dem Ruf deines Herzens.
    Muss sie dem Ruf ihres Herzens ausgerechnet jetzt folgen, wo ich sie so dringend brauche?

23. Kapitel
    M ontagmittag. Ich bin eine Dreiviertelstunde zu spät aus dem Wald zurück und habe Ma nicht angerufen, denn mein Akku ist mal wieder leer. Auf Vorwürfe gefasst, betrete ich die Küche. Das Essen steht auf dem Tisch. Lammkoteletts, Rosenkohl und Kartoffelbrei. Alles kalt. Drei unberührte Teller und von meinen Eltern keine Spur.
    Mir zieht sich schmerzhaft der Magen zusammen, mein Herz pocht schneller. »Mami? Paps? Ist jemand da?«
    Keine Antwort.
    Meine Blase meldet sich, und als ich die Tür zum unteren Badezimmer öffne, bleibt mir beinahe das Herz stehen. »Großer Gott! Mami, was …«
    Meine Mutter sitzt mit angezogenen Knien auf dem Badvorleger, den Rücken gegen die Badewanne gelehnt. Sie atmet hastig und tief, den Mund zu einen O geformt wie ein Karpfen. Ihr Gesicht ist blau angelaufen und ihre Hände sind völlig verkrampft. Sie zittert am ganzen Körper, aber ihr T-Shirt ist schweißnass.
    Â»Mami!« Ich packe sie an den Schultern und schüttele sie. Ma hyperventiliert, es ist nicht das erste Mal, dass ich sie so erlebe. Irgendetwas muss geschehen sein, das sie so in Panik versetzt hat.
    Â»Was ist passiert?«, schreie ich sie an. »Wo ist Paps?«
    Keine Antwort. Ma starrt mich nur mit weit aufgerissenen Augen an und japst erbärmlich nach Luft. Durch das zu schnelle Atmen hat sie zu viel Sauerstoff in den Lungen, was paradoxerweise Erstickungsangst hervorruft.
    Ich sprinte in die Küche, zerre eine Papiertüte aus einer Schublade und laufe zurück ins Bad, wo ich sie meiner Mutter über Mund und Nase stülpe. »Schön durchatmen«, sage ich, »ganz ruhig atmen, Mami, alles wird gut. Schön atmen.«
    Ma hebt ihre Klauenhände und hält die Tüte fest an ihr Gesicht. Das Papier bläht sich und fällt mit einem Knistern in sich zusammen, es bläht sich und fällt zusammen. Dadurch, dass meine Mutter keinen Sauerstoff mehr einatmet, wird die Konzentration von Kohlendioxid im Blut wieder erhöht, ihr Atem beruhigt sich langsam. Schließlich fallen ihre Hände mitsamt der Tüte schlaff in ihren Schoß und sie schließt stöhnend die Augen.
    Vor ihr kniend, fasse ich sie an der Schulter. »Ma, was ist denn los? Ist Paps etwas passiert?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Mit Papa ist alles in Ordnung. Aber du … du warst nicht da … um eins. Ich dachte … ich dachte, dir wäre etwas zugestoßen.« Sie greift sich ans Herz.
    Das darf nicht wahr sein, ich fasse es nicht. »Ich komme ein paar Minuten zu spät und du tickst völlig aus? Damit ist jetzt Schluss, hörst du«, schreie ich sie an. »Warte nie wieder auf mich mit deinem dämlichen Essen, von nun an

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