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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Rückzugsgebiet der Wölfin.
    Â»Wie alt sind sie?«, frage ich Olek, als wir die Ringstraße erreichen. »Weißt du das?«
    Â»Fünf Wochen oder sechs.«
    Â»Dann wird sie sie noch ein oder zwei Wochen säugen, danach brauchen sie mehr Fleisch.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Sie werden beginnen zu heulen, wenn sie sich gegenseitig rufen. Dann werden es die Leute bald wissen.«
    Â»Wir können nicht verhindern«, sagt er, Bedauern in der Stimme.
    Â»Nein, das können wir nicht.« Ich sehe ihn an. »Danke, Olek. Danke, dass du mich mitgenommen hast. Das war toll.«
    Blätterschatten liegen auf seinem Gesicht und in seinen Augen schimmert ein Lächeln. Ich möchte ihn küssen, tue es jedoch nicht. Ich denke es nur und Olek blickt mich auf einmal ganz merkwürdig an, so, als könne er meinen Gedanken lesen.

19. Kapitel
    A uch in den nächsten beiden Tagen gibt es keine Neuigkeiten von Lisa – sie bleibt verschwunden. Marco erzählt, dass vor dem Haus von Lisas Mutter ein Polizeiwagen gestanden hätte, aber warum, das wusste er nicht.
    Ich lenke mich damit ab, für die Matheprüfung zu lernen. Herr Ungelenk hat uns ein paar Beispielaufgaben mitgegeben. Darstellung eines Sachverhaltes oder Verfahrens in Textform unter Verwendung der Fachsprache. Beschreibe, wie A sich ändert, wenn x größer wird. Oder: Wähle ohne Hilfe des Taschenrechners diejenige Zahl aus, die deram nächsten kommt.
    Ich ziehe Wurzeln und übe mich in Potenzrechnung. Versuche, quadratische Gleichungen und mathematische Lehrsätze in meinen Kopf zu pressen und sie auch drin zu behalten, wenigstens bis zum Montag. Aber das ist eine Menge sperriger Stoff, wo doch gerade so viel Aufregendes und Besorgniserregendes passiert.
    Am Sonntagabend brummt mir der Schädel, mein Kopf ist angefüllt mit bleischwerem Wissen. Die Synapsen in meinem Hirn glühen, die Aufregung strömt als pures Adrenalin durch meine Adern und ich habe Angst, nicht schlafen zu können und am Montagmorgen als völlig übernächtiges Wrack im Prüfungsraum zu sitzen.
    Als ich mir sicher bin, dass meine Eltern schlafen, klettere ich über den Balkon auf den Kirschbaum und hangele mich an den Ästen nach unten. Durch das hohe, mondbeschienene Gras des wilden Gartens mache ich mich auf den Weg zu meiner Freundin, der alten Kiefer, in der Hoffnung, dass mein Ritual auch bei Prüfungsangst hilft.
    Als ich das Nachbargrundstück durch die offene Hinterpforte verlasse, höre ich ein Knacken in meinem Rücken und werfe einen schnellen Blick zurück auf den mondhellen Gartenweg. Still und friedlich liegt er da, links gesäumt von Himbeersträuchern und rechts von den Gartenzäunen und hier und da einem Obstbaum. Ich kenne jeden Strauch samt Schatten persönlich. Alles ist an seinem Fleck. Aber seit Lisas Verschwinden ist nichts mehr, wie es war.
    Ich trabe los und die Baumgreisin mit ihrem krummen Stamm empfängt mich in schweigendem Willkommen. Mit geschlossenen Augen, den Rücken gegen die rissige Rinde des Stammes gedrückt, lausche ich den nächtlichen Stimmen des Waldes. Und wie immer versuche ich, die unterschiedlichen Geräusche zuzuordnen.
    Ein Waldkauz manövriert durchs Geäst. Nächtliche Wesen huschen und rascheln im Unterholz. Stämme knarzen. Weiter weg die leichten Schritte eines Rehkitzes. Zweige brechen, ein paar Meter rechts von mir. Ein Fuchs vielleicht. Wieder muss ich an Lisa denken, verdränge den Gedanken jedoch sofort wieder. Das hier ist mein Wald. Mir wird nichts passieren.
    Â»Nicht erschrecken«, flüstert plötzlich eine Stimme ganz in meiner Nähe. Zu Tode erschrocken reiße ich die Augen auf, presse eine Hand auf mein Herz und gebe einen heiseren Schrei von mir – alles im selben Augenblick.
    Oleks vom Mondlicht beschienene Gestalt taucht zwischen den weiß schimmernden Stämmen zweier Birken auf. »Tut mir leid.«
    Die Hand immer noch auf mein Herz gepresst, ringe ich nach Atem und nach Worten. »Was machst du denn hier?«, bringe ich schließlich heraus.
    Olek kommt ein paar Schritte auf mich zu. »Ich passe auf, hast du schon vergessen. Ich wollte nicht, dass du Angst hast.«
    Alle Anspannung fällt von mir ab. Olek, mein Aufpasser. Mein geheimnisvolles Geheimnis.
    Â»Warst du wieder auf Diebestour?«
    Â»Nein, ich … du bist nicht gekommen zwei Tage. Ich habe mir Sorgen

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