Isenhart
brüderlich teilen wir die Entbehrungen und die unwiederbringlichen Momente, ich kämpfe an deiner Seite, und wenn es sein muss, sterbe ich auch an ihr. Konnte es ein größeres Versprechen geben? Und alles, was Konrad dazu zu sagen hatte, war: Ich kann mich nicht um zwei kümmern?
»Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen«, antwortete Isenhart verärgert.
Konrad erhob sich, legte die Angel beiseite und sah Isenhart in die Augen. Dabei war er bemüht, eine möglichst abschätzige Miene an den Tag zu legen. »Wir brauchen keine Knechte bei diesem Vorhaben«, sagte er, wandte sich ab und ging.
Damit hatte er Isenhart hoffentlich ins Mark getroffen.
Der blieb fassungslos am Flussufer zurück. Nie zuvor hatte ihn irgendetwas so tief verletzt wie diese Worte. Konrad hatte mit einem einzigen Satz alles abgewiesen, was er war, alles für wertlos erklärt, was Isenhart zu geben bereit war. Im Grunde hatte er seine ganze Person infrage gestellt.
Er warf dem jungen Laurin einen Blick nach. Der schaute sich über die Schulter und nun, da er Isenharts Blick bemerkte, wendete er den Kopf schnell ab.
Das war der Moment, in dem Isenhart ihn durchschaute. Er hätte weinen mögen vor so viel Zuneigung.
»Ich verbiete es«, mehr sagte Sigimund von Laurin nicht dazu.
Konrad stand in Hieronymus’ Beisein vor ihm in der Kapelle, und es war schwer zu sagen, wem von beiden die Worte mehr zusetzten.
»Warum?«, fragte Konrad.
Sein Vater trat an ihn heran, er betrachtete seinen Sohn, vielleichterkannte er in dieser Ungeduld, die Konrad umtrieb, sich selbst in jungen Jahren wieder. »Weil ich es sage«, erwiderte er. »Die Ernte ist gut ausgefallen, warum bist du nicht draußen auf dem Feld und machst dich nützlich?«
»Soll ich etwa Korn dreschen?«
Sigimund nickte: »Kein Laurin ist sich zu schade, das Wohl des Hauses zu mehren. Merk dir das.«
»Aber da ist Gesinde«, erwiderte Konrad zornig.
»Arbeit ist keine ansteckende Seuche. Und jetzt geh und sei ihnen Vorbild.«
Konrad gab seinen Widerstand auf und ging – aber nur so weit, wie es sein Gehörsinn erlaubte.
»Es ist die heilige Pflicht eines jeden Christen …«, begann Hieronymus.
»Ich war unter Konrad dem Dritten auf dem Weg nach Jerusalem«, unterbrach Sigimund, »ich habe mehr als ein Dutzend Ungläubige getötet, für den irdischen Teil meines Lebens sollte das heilige Pflicht genug sein.«
Hieronymus schluckte, obwohl die Kaltschnäuzigkeit des Fürsten von Laurin weithin bekannt war, wenn es sich um Glaubensfragen drehte.
»Aber Euer Sohn …«, wagte Hieronymus einen zweiten Anlauf.
»Bleibt hier«, unterbrach Sigimund erneut. »Ich will von diesen Dingen nichts mehr hören. Ich kann Konrad nicht so lange entbehren.« Damit ließ er Hieronymus stehen.
Das Wort eines Fürsten mochte einem behagen oder auch nicht, aber es war Gesetz.
Während Konrad im Hof Hiebe von seinem Vater kassierte, saß Isenhart oben am Fenster der Kapelle und las in Chrétiens Werk. Von hier aus hatte er freien Blick auf Vater und Sohn.
Sigimund von Laurin trainierte mit Konrad in einer Ecke des Burghofs, sie trugen Helme und Kettenhemden, die Schwerter waren an ihren Spitzen mit mehreren Lagen Leinen bespannt, um schwere Verletzungen auszuschließen.
»Du musst schneller parieren«, urteilte Sigimund von Laurinohne jeden Vorwurf, nachdem er seinen Sohn mit einem Treffer an den Rippen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
»Mein Schwert ist viel zu schwer für eine schnelle Parade«, brachte Konrad mit mühsam unterdrücktem Zorn hervor.
»Durch Lamentieren büßt es nicht an Gewicht ein«, beschied sein Vater ihn, »und achte endlich auf einen festen Stand.«
Isenhart musste schmunzeln. Er wusste, was als Nächstes passieren würde. Konrad würde seine Wut nicht länger unter Kontrolle halten können – und den nächsten Fehler begehen.
Konrad startete einen Ausfall, ihm schwebte eine Serie von fünf, sechs Schlägen vor, mit denen er seinen Vater in die Knie zwingen wollte. Aber schon der erste durchschnitt lediglich die warme Juniluft. Sein Vater war dem Hieb mit überraschender Schnelligkeit ausgewichen. Konrad, der all seine Kraft in den Schlag gelegt hatte, stolperte vom eigenen Schwung mitgerissen nach vorne, und sein Vater ließ den stumpfen Schwertrücken in sein Kreuz sausen, sodass sein Sohn in den Staub stürzte. Als er sich auf den Rücken drehte, stand Sigimund von Laurin über ihm. Die Spitze seines Schwertes berührte Konrads Kehle. Dieser
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