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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Isenhart«, brummte er nur, und seine Gedanken kehrten zurück an jenen Ort, von dem Isenharts Neckerei sie aufgescheucht hatten. In diesen Augenblicken, begriff Isenhart nun, hatte Konrad vermutlich seine einsame Entscheidung gefällt.
    Ihm waren lediglich zwei Männer bekannt, die an einem Kreuzzug teilgenommen hatten. Aber das beredte Schweigen von Sigimund von Laurin und Walther von Ascisberg über ihre Teilnahme am zweiten Kreuzzug erzählte ihm mehr, als sie preisgeben wollten. Er ahnte die Torturen und die Strapazen, die die Kreuzritter auf sich genommen hatten.
    Ein Blick von Sigimund von Laurin genügte, und Isenhart meinte, den Angstschweiß riechen zu können, den ihre Körper damals ausgestoßen hatten. Und wenn von Ascisberg sie, gelöchert von Konrads Fragen nach Kampf und Ruhm auf dem Weg nach Jerusalem, mit einem milden Lächeln bedachte, ermaß Isenhart aus der Kraft, die dieses Lächeln seinen Lehrmeister kostete, mit welchen Schrecken und Albdrücken die gestandenen Männer heimgekehrt waren. Ganz gewiss waren es nicht jene Abenteuer mit brenzligen Situationen und glücklichem Ausgang gewesen, die Konrad vorschwebten.
    »Einmal habe ich Massen an Vögeln gesehen, so viele Vögel, wie ich noch nie …«, hatte von Ascisberg eines Morgens begonnen, als Isenhart sich mit ihm über das Flugverhalten von Jagdvögeln unterhielt. Walther von Ascisberg unterbrach sich, mitten im Satz, kurz zitterten seine Nasenflügel, dann hatte er sich wieder im Griff.
    »Was war mit den Vögeln?«
    »Nichts, Isenhart.«
    Er log. Isenhart sah die Vögel in seinen Gedanken nun auch, sie kamen in Scharen und ließen sich auf den Erschlagenen nieder, die neben- und übereinander auf einem Feld lagen. Die Vögel bedienten sich zuerst an ihren Augen.
    Isenhart saß mit Konrad am Fluss, sie angelten.
    »Ich komme mit«, sagte Isenhart in die Stille hinein.
    Konrad warf ihm einen prüfenden Blick zu. Dann wurde ihm warm ums Herz. Isenhart meinte es ernst, das begriff Konrad. Aber er spürte sehr genau die Angst, die den jungen Schmied gleichwohl erfüllte, die leicht gepresste Stimme verriet es. Damit konnte es für Isenharts Entscheidung nur einen Grund geben: ihn, Konrad.
    Isenhart dabeizuhaben wäre schön, dachte Konrad. Auch, wenn er ihm die Sache mit dem Knecht noch nachtrug – Isenhart verfügte über ein beneidenswertes Gedächtnis –, waren sie doch so etwas wie Freunde geworden, obwohl sie – wie auch Walther und Sigimund – nie ein einziges Wort darüber verloren hatten. Selbst sein Vater, der gegen jeglichen näheren Umgang mit dem Gesinde war, duldete dieses Band zwischen ihnen.
    Für Konrad würde alles neu sein auf dem Kreuzzug. Einen Gefährten an seiner Seite zu haben, mit dem er sich austauschen konnte, erschien ihm tröstlich.
    Sein Vater sprach stets von der Verantwortung, die er gegenüber der Familie, der Blutlinie, und dem Gesinde trug. Damit hatte Konrad nichts anfangen können. Die Leute arbeiteten für seinen Vater, dafür wurden sie entlohnt. Sollte er etwa auch noch das Denken für sie übernehmen? Seine schützende Hand über sie halten?
    Diese Verpflichtung war Konrad widersinnig erschienen. Bis jetzt. Bis zu dieser Stunde, in der er sich mit Isenhart am Fluss wiederfand. Ja, sagte er sich, genau das bedeutete es: die Hand schützend über seine Nächsten zu halten und notfalls auch Entscheidungen über ihren Kopf hinweg, aber für ihr Wohl zu treffen.
    Isenhart und er waren eigentlich grundverschieden, sie hatten wenige Gemeinsamkeiten. Isenhart ließen Männer, die große Taten vollbracht hatten, kalt, und er, Konrad, konnte sich nur schwerlich für die Sprache von Hühnern erwärmen oder für die Frage, warum die Bäume im Herbst ihr Laub abwarfen.
    Isenharts Geste aber rührte ihn zutiefst. Das erste Mal spürte er die Verantwortung, von der sein Vater gesprochen hatte. Isenhart hatte bei einem Kreuzzug nichts verloren, am wohlsten fühlte er sich in einem Raum mit Schriftrollen. Sein Angebot anzunehmen, hätte bedeutet, zu Isenharts Nachteil zu handeln.
    Also schüttelte er den Kopf. »Ich kann mich nicht um zwei kümmern«, sagte Konrad.
    Isenhart war erleichtert und enttäuscht zugleich. Die Enttäuschung überwog, und sie rührte daher, dass Konrad offensichtlich überhaupt nicht begriff, was sein Entschluss, mit ihm zu ziehen, im Kern bedeutete.
    Er bedeutete: Ja, ich verbringe zwei oder drei Jahre meines Lebens an deiner Seite, ich gehe mit dir durch Schnee, Sturm und Hitze,

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