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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Worten, deren Sinn ihr verschlossen blieb. Nicken war ihre bevorzugte Disziplin.
    Cloe lächelte mit einer leicht abwesenden Miene, die die Erwähnung körperlicher Strafe bei ihr hervorrief. Mutter Adina war bekannt, dass die Novizin sich vom ersten Tag an auf Arten kasteite, die einen hohen Zoll an Schmerz einforderten.
    »Schmerz und Strafe fördern das Gute in ihnen zutage?«, fragte Sophia nach.
    Oberin Adina zögerte. Es war dieser klare Blick der Novizin, der sie ein ums andere Mal vor einer Replik warnte, vor einem klugen Gedanken, der in dem Kopf unter den kurz geschorenen roten Haaren gereift war.
    »Zweifelst du daran«, fragte sie ruhig, »an meinen Worten? An meiner Erfahrung?«
    »Aber nein, keineswegs«, beeilte Sophia sich zu sagen, und für jedermann war die Echtheit ihres Respekts gegenüber der Mutter Oberin spürbar, »ganz bestimmt verhält es sich so, wie Ihr sagt.«
    »Aber?«
    Sophia schluckte und starrte auf ihr Pult, sammelte sich kurz, bevor sie zu einer Antwort anhob. »Aber es erfüllt mich mit Traurigkeit«, konstatierte sie.
    Adina musterte ihre Schülerin sorgfältig, doch nichts an Sophias Worten war künstlich oder gestelzt. Es musste in der Tat etwas geben, was sie bekümmerte.
    »Warum?«, wollte Cloe wissen, und in ihrer Frage spiegelte sich bis auf ernsthaftes Interesse nichts anderes wider.
    »Wenn die Menschen nur deshalb gute Christen sind, weil … weil sie Angst haben vor Strafe, wenn sie Christus nur folgen, weil sie auf Belohnung hoffen und … nichts sonst – ist das nicht traurig?«
    Oberin Adina hatte es im Moment ihrer ersten Begegnung gespürt. Als sie sie im Hof stehen sah, vor bald einem Jahr. Sophia war nicht gekommen, um jeder Anweisung unwidersprochen nachzukommen. Sie war gekommen, um Erkenntnis zu erlangen.
    Sie würde sich nicht mit dem abspeisen lassen, womit man die simpleren Gemüter Esthers oder Cloes oder all die anderen des Ordens ruhigstellen konnte, nämlich mit dem Hinweis, alles, was geschah, sei Gottes Wille. Sophia artikulierte es nie auf den Punkt, dazu empfand sie zu viel Achtung vor Schwester Adina, aber diesespürte dennoch die Skepsis der rothaarigen Novizin, der es nach den septem artes gelüstete.
    Sophia fragte sich, wie sie in der Pflicht einer Idee stehen konnte, die keine Rechtfertigung zu brauchen meinte und keine Debatte duldete, sondern sich in Dogmen manifestierte, die das Nichtwissen zur Tugend erhoben und die Fragen verdammten. Einer Idee, die die Konformität der Gedanken zu erzwingen suchte, daher die Vielfalt verneinte und den Erhalt ihrer selbst der Erkenntnis der Ratio vorzog.
    Mutter Adina wusste nur zu genau, wo all das enden würde.
    Letztlich würde sie Schwester Sophia nicht vor den Regularien des Klosters Sunnisheim schützen können. Für Sophia von Laurin gab es hier keine Zukunft, dazu war sie schlicht zu klug.
    Aber all dies fand am 13. September 1197 ein frohes Ende.
    Cloe unterwies soeben zwei neue Novizinnen in der Kräuterkunde, Esthers Gesang drang gedämpft aus dem Mittelschiff hierher, als Adina den schmalen, sehnigen Kerl neben dem Pferd in den Hof treten sah. Ein wenig dünn, klein, fast unscheinbar, wenn seine Augen nicht gewesen wären. Außerdem fehlte ihm an seiner linken Hand der kleine Finger.
    »Adina von Sunnisheim«, stellte sie sich ihm vor, »ich bin die Vorsteherin des Klosters. Was kann ich für Euch tun?«
    Sein Blick senkte sich in den ihren und blieb nicht an der Oberfläche haften, es gab nichts, was er zu verheimlichen hatte.
    »Ich bin hier, um Buße zu tun und eine Seele zu retten.«
    Sein linkes Auge war noch von einem Bluterguss gekennzeichnet, im Sattel seines Pferdes führte er ein Schwert mit schmaler und schartiger Klinge mit. Schartig – oft benutzt. Er hatte getötet. Adina glaubte, das an den Blicken der Männer erkennen zu können. Norbert von Gartach beispielsweise, der hatte noch nicht getötet – außer Fasane vielleicht.
    Der Mann im besten Alter, der hier vor ihr stand – Isenhart würde bald 27 Jahre alt werden –, hatte keine Lust am Töten empfunden. Was ihn nicht weniger gefährlich machte.
    »Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Isenhart von Laurin.«
    Mehr musste nicht gesagt werden.
    Sophias erster Gedanke war, dass neben Oberin Adina ein Geist in den Kräutergarten trat, in dem sie Fenchel und Melisse zupfte, um dem rasselnden Atem einer älteren Schwester Einhalt zu gebieten. Und das, obwohl sie von Isenhart auf einem Floß geträumt hatte, neben dem ergrauten

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