Isenhart
unbemerkt an ihm vorbeizutreiben, sich auf diese Weise also abermals zu tarnen.
Doch Henning von der Braake würde sich erst dann dem Zufall überlassen, wenn es keine Chance mehr gab, die Situation zu kontrollieren. Die größte Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Flucht bestand darin, sich den feindlichen Verbänden anzuschließen. Scheinbar oder wirklich.
Und für den unwahrscheinlichen Fall, trotzdem von Konrad und Isenhart entdeckt und aufgegriffen zu werden, bot nur eine Geisel von höchster Bedeutung die Möglichkeit auf freies Geleit. Nur deshalb, dachte Isenhart, nur aus diesem Grund musste Sophia noch am Leben sein.
Weil sie von strategischem Interesse war.
Und möglicherweise, möglicherweise, weil in Henning von der Braake ein Rest von Menschlichkeit schlummerte, ein Stück Zugewandtheit, die ihn daran hinderte, Isenhart ein zweites Mal das Liebste zu nehmen. Isenhart hätte gelogen, wenn er behauptet hätte, nicht auch ein wenig auf diesen Umstand zu hoffen.
Sie erreichten eine Weggabelung, von der aus der Strom der Flüchtenden seinen Ausgang nahm. Der Kirbach, kaum zwanzigFuß breit an seinen ausgedehntesten Stellen, schlängelte sich durch die Auen und teilte eine sattgrüne Wiese, die von Nadelwald begrenzt wurde, in zwei Teile.
Ihre Pferde schnauften.
Diesseits standen die Mannen, die Erik von Owenbühl gefolgt waren. Sie mühten sich, den Feind nicht über den Kirbach treten zu lassen, und verteidigten insbesondere eine schmale Brücke, die kaum mehr als zwei Mann nebeneinander Durchlass bot, und eine Furt etwa hundertfünfzig Fuß links davon, in der sich das Flussbett so sehr erhob, dass ein Mann den Fluss hüfthoch zu durchschreiten vermochte.
Konrads Körper spannte sich bei dem Anblick, der sich ihm bot. Es war jene Spannung, die auch am Tajo in ihn gefahren war, als die berittenen Muselmanen aufgetaucht waren.
Wie von Owenbühls Männer auch bestanden die Gegner vornehmlich aus Bauern und einigen Abenteurern. Doch genau dort, wo eine Schar von Haslachern einen Keil in die feindliche Linie trieb, erhoben sich Piken in die Luft.
Sie waren es, die Konrads Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Piken von gut zwölf Fuß Länge, die sich jetzt senkten und in die Haslacher fuhren, die Arme, Beine, Bäuche durchstießen. Die Piken bildeten selbst im Zustoßen eine geschlossene Formation, die nicht dem Zufall entstammen konnte. Entsetzt von dem, was ihren Kameraden widerfuhr, wichen die Haslacher erst zurück, um dann in der Folge die Flucht zu ergreifen.
Der Keil in der Linie der Gegner wich, die Piken marschierten voran.
»Jemand zahlt sie, nicht wahr?«, fragte Konrad.
Isenhart nickte. Es brauchte kein weiteres Wort, um sich des Unbehagens, das sie bei dem Anblick der Pikenträger empfanden, zu versichern. Der Anblick dieser Männer war Konrad und Isenhart nur allzu bekannt. Behelmt und gepanzert an Schenkeln und Unterarmen waren sie. Sie marschierten unerschrocken voran. Es waren Brabanzonen.
»Sophia.«
Konrads Stimme, sonst kräftig und bestimmt, entfuhr der Name der Schwester wie ein kläglicher Seufzer. Isenhart folgte seinemBlick. Henning und Simon von Hainfeld hatten es durch die Linien von Joseph von Vöhingen geschafft. Sie zerrten Sophia mit sich, die sich sträubte und wehrte und von Simon von Hainfeld geschlagen wurde. Ihr Gesicht war blutig.
Isenhart nahm Konrads Blick nur noch von weit, weit her wahr. Die Flucht der Verwundeten, das Geschrei der Kämpfenden, das Klirren von Metall auf Metall, all das versank, wurde dumpf, ganz so, als befände Isenhart sich unter Wasser. »Das ist Wahnsinn«, drang eine Stimme zu ihm, als er das Schwert zog. In einer merkwürdigen Verzerrung, die die Zeit dehnte, nahm Isenhart seine Umgebung wahr. Die Haslacher, die sich erhoben, jene, die vom Kirbach flohen und nun stoppten und zu ihm aufblickten. Konrad, der vehement den Kopf schüttelte.
Isenhart schaute nach vorne, wo die Haslacher in den Kirbach getrieben wurden, der sich tatsächlich rot einfärbte. Von Vöhingens Männer zwangen sie ins Wasser, wo sie strauchelten und ertränkt, erdolcht und erschlagen wurden. Ein Vorstoß zu der Position, an der Henning, von Hainfeld und Sophia sich befanden, schien unmöglich.
»Männer«, brüllte er daher, »Ihr mögt heute sterben, aber dieses ist der letzte Tag, an dem ihr als freie Männer sterben könnt!«
Seine Worte gingen wie ein Ruck durch die Umstehenden und durch die ganze Umgebung. Es war, als würde die Landschaft sich
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