Isenhart
auf den jungen von Grundauf verzichten wollte. Daher nahm er ihn zu sich, als sie im Morgengrauen die Donau erreichten.
In Ufernähe begruben Vater und Sohn ihn und schmückten sein Grab mit Steinen der Gegend. Kurz war Konrad versucht, Dolph den Splitter vom Kreuz Christi mit auf die Reise zu geben, aber der Span war eine Leihgabe und kein Geschenk. Er konnte nicht einfach darüber verfügen, und außerdem war vielleicht etwas dran an diesem kleinen, unscheinbaren Stück Holz. Immerhin waren sie zu dritt losgezogen, und nun kehrte er ohne Patrick von Cannstatt und Dolph von Grundauf zurück.
Marie griffen sie dort auf, von wo aus das Kreuzzugheer aufgebrochen war. In einem Waldstück bei Regensburg stieß Sigimund auf die Überreste einer kleinen Händlerkolonne. Ihm genügte ein Blick, um zu erfassen, dass in der Nacht ein Gemetzel stattgefunden haben musste, bei dem die Händler ermordet und ihre Waren entwendet worden waren.
Marie fanden sie wimmernd neben ihrem erschlagenen Vater. Ihre Lider flatterten nervös, sie gab Laute in einer Sprache von sich, die sie nicht kannten, und sie hatte keine Kontrolle über ihre Blase.
Konrad bestand darauf, sie mitzunehmen. Der christliche Gedanke gebot es, wie er sagte.
Sein Vater warf ihm einen langen Blick zu. »Was soll das?«, fragte Sigimund, »sie ist verblödet und pinkelt überallhin. Wir bringen sie zum Armenhaus nach Regensburg, dort kann man sich um sie kümmern.«
» Ich kümmere mich um sie«, versprach Konrad.
Sigimund sah seinem Sohn in die Augen. Und mit Verblüffung las er in Konrads Blick dessen unerschütterlichen Willen.
So war Marie zur Burg Laurin gekommen.
Sicher, Konrad hatte es nicht bis nach Jerusalem geschafft, aber er hatte teilgenommen. Das war entscheidend, beschloss Hieronymus. Die anderen waren tot, die Häuser Grundauf und Cannstatt hatten keinen Nachfolger. Burg Laurin verfügte über einen.
Hieronymus hatte ein paar Psalme vorbereitet. Der Span vom Holz Christi ruhte wieder auf seinem angestammten Platz.
Viele Jahre zuvor waren ihm zwei Jungs anvertraut worden, und nun war die Stunde der Ernte gekommen. Beide hatten zum Abschluss eine Frage offen, die sie an ihn richten konnten, so wollte es das Ritual.
»Glaubt Ihr an die christliche Nächstenliebe?«, fragte Konrad.
Früher war es Isenhart, der Hieronymus nervös gemacht hatte, aber nun – er saß so selbstsicher und erwachsen auf seinem Platz, während der Winterwind um die Burg pfiff – hatte Konrad von Laurin diese Rolle übernommen.
»Natürlich«, sagte Hieronymus vorsichtig.
Konrad nickte. Seit seiner Rückkehr aus Philippopolis redete er zwar mit den Leuten. Aber stets verweilten seine Augen woanders und signalisierten die Abwesenheit seines Geistes. So auch jetzt.
»Muss ich dann nicht meinen Feind umarmen und ihn zu meinem Tisch und meinem Lager führen?«
Das war in der Tat eine sehr berechtigte Frage, wie der Geistliche stumm feststellte. Konrads Augen suchten die seinen. Dieses Mal war es keine Provokation, nach der ihm der Sinn stand. Dieses Mal bewegte es ihn wirklich.
»Liebe deinen Nächsten«, sagte Hieronymus, ja er flüsterte fast, »deinen Nächsten. Vater, Mutter, Freund. Ihnen gilt die Nächstenliebe. Und natürlich nicht den Muselmanen. Unser Herr Jesus selbst hat es gesagt. Matthäus, Kapitel 10, Absatz 34 …«
»Ihr sollt nicht wähnen«, unterbrach Isenhart, »dass ich gekommen sei, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.«
Hieronymus nickte, das Gedächtnis dieses Jungen war zweifellosaußergewöhnlich. »Wenn du diesen Ungläubigen die Hand reichst, Konrad«, wandte Hieronymus das Wort an ihn, »werden sie sie dir abhacken und dann über deine Nächsten herfallen.«
Konrad von Laurin nickte.
Isenhart genügte ein Blick, um zu wissen, dass sein Freund sich mit dieser Antwort nicht begnügen würde. Er sah hinaus in den Burghof, wo Alexander von Westheim, der dieses Mal kein gutes Geschäft gemacht hatte, die Burg verließ. Sein Käse aus Flandern war verschimmelt gewesen, Chlodio hatte sich zu Recht über sein teuer erstandenes Haarwuchsmittel beschwert, das noch mehr Haare als zuvor ausfallen ließ, und die Tücher aus Brügge hatten sich als Imitate aus Lyon entpuppt.
Hieronymus richtete seinen Blick schnell auf Isenhart. »Wie lautet deine Frage, Isenhart?«
»Warum werfen die Bäume im Herbst ihr Laub ab?«
Konrad lächelte ein wenig, aber in seinen Augen lag
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