Isis
Kleinodien an die Wand geschmettert. Was hatte ihm die Gefahr, die er immer wieder auf sich nahm, schon gebracht? Nicht einmal ein eigenes Haus, geschweige denn die einzige Frau, die er wirklich begehrte.
Allein Isis hätte ihn aus diesem Panzer befreien können, der sich immer fester um sein Herz schloss, aber sie dachte offenbar nicht daran, sondern machte Anu schöne Augen.
Früher hatte er sich dem jüngeren Bruder gegenüber überlegen gefühlt, aber das war lange vorbei. Er war nichts als Anus glückloser Schatten, der andere, dunkle Bruder, der alles verdarb, was er berührte.
Was hatte er schon vorzuweisen? Wie ein unmündiges Kind lebte er noch immer unter dem Dach seines Vaters. Er war allenfalls ein leidlich begabter Steinmetz geworden, der freilich die Fertigkeit seines Lehrmeisters noch lange nicht erreicht hatte - und vermutlich niemals erreichen würde. Ein angeblicher Frauenheld, der bei vielen Huren gelegen hatte, und dennoch bei keiner Befriedigung fand. Und ein Verbrecher, dem der Tod gewiss war, sollte man ihn jemals zu fassen bekommen.
Eine gefährliche Stimmung, in der er sich befand und die noch unberechenbarer werden würde, wenn es ihm nicht gelang, sich irgendwie abzulenken. Eigentlich war Khay nicht nach lauter Gesellschaft zumute, aber die lärmenden Betrunkenen in der Hafenkneipe waren immer noch besser als diese fürchterlichen Dämonen, die seinen Kopf von innen her auffraßen.
Er stopfte die Schätze wieder in den Beutel zurück, schlug das Sackleinen darüber und verstaute alles in der ausgehöhlten Wand. Nachdem er die Ziegel ungeduldig wieder in die richtige Position gerückt hatte, verließ er das Haus in Richtung Hafen.
Die angenehme Nachtluft und die Bewegung taten ihm gut. Der Himmel über ihm war klar. Als er stehen blieb und hinaufschaute, kam es ihm vor, als habe er noch nie so viele Sterne gesehen. Plötzlich fühlte er sich erleichtert, dass er heute und die nächsten Tage nicht in einen engen Stollen kriechen und sich mit den Männern aus Keftiu abplagen musste.
Er betrat die kleine Taverne, die er meistens aufsuchte, wenn er sich in Ruhe betrinken wollte, und bestellte erst Wein, bevor er zu dem selbst Gebrannten überging, der wie flüssiges Feuer durch seine Kehle rann. Irgendwann setzte sich einer der Nil-Schiffer zu ihm, der von den Gefahren des Flusses zu schwafeln begann und von den Katarakten, die er bereits erfolgreich passiert hatte.
Khay hörte gar nicht richtig zu, sondern nickte nur hin und wieder, während er auf das Gefühl leichter Benommenheit wartete, das die Dämonenstimmen aus seinem Kopf vertreiben würde. Er spürte die Anwesenheit der Frau erst, als sie unter dem Tisch ihr Bein an seinem rieb.
Überrascht blickte er auf.
»Bekomme ich auch etwas davon?« Ihre kleine, nicht ganz saubere Hand griff nach dem Krug.
»Bedien dich!«, sagte er. »Ich kann mehr bestellen, wenn du möchtest.«
Sie trank wie ein Mann. Er sah, wie der Branntwein durch ihren dünnen Hals rann und ihr Gesicht sich langsam rötete.
Sie hatte Augen, die eine Spur zu nah zusammenstanden, und volle, rote Lippen. Im Vergleich zu den Hafenhuren, deren Direktheit er gewohnt war, verhielt sie sich geradezu zurückhaltend. Und dennoch waren die Signale ihres Körpers eindeutig. Als ihn gleichsam zufällig ihre Brust streifte, spürte er, wie seine Erregung wuchs.
»Ich will dich haben«, sagte er.
»Ich bin nicht gerade billig«, lautete ihre Antwort..
Khay begann so durchdringend zu lachen, dass alle Köpfe zu ihnen herumfuhren.
»Was hast du?«, fragte sie beunruhigt. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Gehen wir!«, sagte er und zog sie vom Stuhl. »Und keine Angst, du wirst bekommen, was du verdienst.«
Als er sie verließ, bevor es hell wurde, fühlte er sich zerschlagen und so müde, dass er beinahe im Gehen eingeschlafen wäre. Seine Lippen brannten von ihren Küssen, und er trug ihren Geruch auf seiner Haut — und doch musste er die ganze Zeit nur an Isis denken. Die Tavernenbekanntschaft hatte sich alle Mühe gegeben, ihn zu befriedigen. Was konnte sie dafür, dass es nur eine Frau in seinen Träumen gab, die immer unerreichbarer zu werden schien, je mehr andere er in den Armen hielt?
Vom vielen selbst Gebrannten hatte er einen schweren Kopf.
Er war froh, als sein Zuhause endlich in Sicht kam. Zu seiner Überraschung war das Gartentor nicht abgeschlossen. Jetzt konnte er gar nicht anders, als den kleinen Kiesweg zu betreten, der direkt zum Lusthaus seines
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