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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Traum.«
    »Ich weiß. Aber für mich kommt nur eine in Frage«, sagte Anu und seufzte. »Leider lässt sie mich noch immer warten. Ich gebe jedoch nicht auf. Niemals!«
    »So sicher? Kenne ich sie?«
    »Bestimmt«, sagte Anu. »Denn wer sie einmal gesehen hat, kann sie nie vergessen.«
    »Komm schon, spann mich nicht länger auf die Folter! Wer ist es?«
    »Isis«, sagte Anu leise.
    »Die Tochter des Ersten Bildhauers?« Vor Überraschung hatte Nesptah beim Nachschenken nicht ganz aufgepasst.
    Etwas Bier floss daneben und tränkte die Karte aus dem Tempelbesitz. Mit einem halblauten Fluch wollte Nesptah die Flüssigkeit wegwischen, aber er erstarrte mitten in der Bewegung, als er merkte, welch seltsame Veränderung sich auf dem Plan vollzog. Plötzlich traten neue Linien zu Tage. Und es waren haargenau die, welche auf dem Fetzen eingezeichnet waren, den Anu auf dem Westufer gefunden hatte.
    »Alaun«, sagte der junge Schreiber, nachdem er sich von seiner ersten Überraschung erholt hatte. »Natürlich! Ein Gemisch aus Essig und Alaun, das erst sichtbar wird, wenn es mit Flüssigkeit in Berührung kommt.«
    »Ein altes Mittel?«, fragte Nesptah gespannt.
    »S-s-sehr alt. Und, wie du siehst, noch immer wirkungsvoll.«
    Der Priester schien ihn gar nicht zu hören. Sein Blick war zum Fenster gewandt, als lausche er einer unsichtbaren Stimme.
    »Jetzt kriegen wir sie«, sagte er. »Der hässliche Spuk wird bald ein Ende haben.«
     
    oooo
     
    »Ich will nicht rein!« Isis sträubte sich, als Khay sie über die Schwelle des Gartenhauses zu ziehen versuchte. »Was sollen wir dort? Und was ist mit der Tür passiert? Sieht ja aus, als hätte sie jemand aufgesprengt!«
    »Kümmere dich jetzt nicht um die Türe!« Sein Vater würde erst morgen zurückkehren, und Iucha hatte um Urlaub gebeten, weil einer seiner zahlreichen Verwandten bestattet wurde. Da blieb noch reichlich Zeit, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Khay spürte, dass er langsam die Geduld verlor, und änderte seine Taktik. »Wenn du überhaupt nicht willst — bitte schön! Allerdings wirst du diese Entscheidung vermutlich ein Leben lang bereuen.«
    »Was sollte es da schon geben, das mich dazu bringen könnte?« Wenn sie aufgeregt war, erinnerten ihn ihre Augen an schimmernden Achat.
    »Überzeuge dich selbst!«, sagte er so gleichgültig, wie es ihm möglich war. »Aber diese Chance hast du nur einmal — und zwar jetzt.«
    Er hatte gewonnen, das sah er an ihrer neugierigen Miene.
    Aber er spürte auch, wie misstrauisch sie trotzdem noch war.
    Vorsichtig betrat Isis den Raum und sah sich prüfend um.
    »Was gibt es hier schon zu sehen? Ein Bett, Kerzen und all das komische Zeug dort an der Wand .«
    »Sieh genauer hin!«, sagte Khay, der sich ganz dicht hinter ihr hielt. »Fällt dir gar nichts auf?«
    Sie hatte die Statue erblickt, das merkte er daran, wie steif ihr Körper wurde. Langsam, fast widerwillig ging sie zu dem Hocker, nahm sie hoch und drehte sie hin und her.
    »Mama«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Das ist ja Mama!«
    Khay gab keinen Ton von sich, voller Erwartung, was als Nächstes geschehen würde.
    »Aber er hat sie doch alle zerschlagen«, sagte Isis. Tränen liefen über ihre Wangen. »Nicht eine Einzige hat Papa heil gelassen. Ich weiß es ganz genau!«
    »Diese hier offenbar doch«, sagte er. »Sonst wäre sie ja kaum hier.«
    Sie fuhr zu ihm herum. »Wieso ist sie das? Ausgerechnet bei deinem Vater, den Mama nie leiden konnte?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Vielleicht hat Selene sie ihm irgendwann gegeben, auch wenn wir nicht wissen, weshalb.«
    Er vermied ihr dabei in die Augen zu sehen. Isis hatte das seltsame Gefühl, dass er die Wahrheit sagte, aber nicht die ganze Wahrheit. »Jedenfalls steht sie wohl schon eine ganze Zeit hier.«
    Isis presste die Statue fest an ihre Brust.
    »Ich werde sie mitnehmen«, sagte sie in entschlossenem Ton.
    »Und deinem Vater alles erklären. Basa kann mich nicht daran hindern. Dies Abbild ist schließlich das Einzige, was mir von Mama geblieben ist.«
    »Bist du wahnsinnig? Er würde dich vor Wut umbringen und mich gleich dazu. Du kennst ihn nicht. Du weißt nicht, wozu er fähig ist.«
    Bei seinen Worten kamen Isis wieder die Striemen auf Anus Schenkel in den Sinn und die blauen Flecken auf dem Rücken des kleinen Khay. Eine Woge von Mitgefühl durchströmte sie. Wie mussten die beiden unter dem brutalen Vater gelitten haben, während sie von ihren Eltern nur Liebe und Zuneigung erfahren

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