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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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in die Stadt eindringen würden.
    »Sie töten lieber, als Gefangene zu machen«, fügte Montemhet hinzu. »Und wen sie lebendig nach Ninive mitnehmen, dem rauben sie Zunge und Hände, damit er künftig weder gegen sie reden noch handeln kann.«
    »Hast du deine Söhne deshalb schon vor Wochen nach Napata geschickt?«
    Montemhet machte eine Kopfbewegung, die sich als Nicken deuten ließ. Seit langem stand für ihn fest, dass sein jüngerer Sohn Nesptah ihm einmal im Amt nachfolgen solle, während der ältere, Patjenfi, keinerlei Ehrgeiz in dieser Richtung entwickelte, sondern eher kaufmännische Begabung ahnen ließ.
    So unterschiedlich sie auch waren, in beiden vermischte sich das Blut Kemets mit dem Tanubs, das Norden und Süden untrennbar verband. Er war ihm wichtig, dass sie ihre Wurzeln niemals vergaßen.
    »Ich würde nicht anders handeln, hätten die Götter mir einen Sohn geschenkt. Kein anderes Volk ist so unbarmherzig wie die Söhne Assurs. Niemand, der je in ihrer Gewalt war, kam unversehrt davon.«
    »Mit einer Ausnahme.« Jetzt war Montemhet es, der sie gespannt musterte. Wirkte sie deshalb so kühl, weil sie ihr Herz schon vor Jahren gegen einen Stein vertauscht hatte?
    »Necho von Sai's, der Deltafürst, der mit allen Würden wieder eingesetzt wurde. Allerdings ist er inzwischen tot — es wird gemunkelt, durch die Hand seines eigenen Sohnes.«
    »Habe ich eben von Grausamkeit gesprochen?« Die goldenen Reifen an ihren Handgelenken klimperten. Sie waren weit genug, um von einer anderen Frau als Armspangen getragen zu werden. »Sie scheint mir nicht auf Assur begrenzt.
    Mein Bruder Taharka wäre niemals Pharao geworden, hätte er seinen Vorgänger nicht beseitigen lassen. Ebenso wenig wie Tanutamun vermutlich jemals den Thron bestiegen hätte, wäre Taharka nicht so plötzlich gestorben.«
    »Seit seinem Tod ist der Himmel über Kernet dunkel geworden«, sagte Montemhet bewegt. »Ich wusste schon zu seinen Lebzeiten, dass er groß war. Aber noch nicht, wie groß.«
    »Und der Himmel wird noch dunkler werden, wenn wir nicht eiligst handeln.« Die »Gottesgemahlin des Amun« erhob sich, erstaunlich geschmeidig für ihre Fülle. Das Rascheln ihres Gewandes verursachte Montemhet Gänsehaut.
    »Dir ist bekannt, was mit einer besiegten Stadt geschieht, nachdem sie gefallen ist?«
    Er nickte, unfähig, den Blick von ihr abzuwenden.
    »Dann lass den Führer des feindlichen Heeres nicht länger warten! Assur ist ihr Krieggott; zu ihm rufen sie, wenn sie ihre Bogen spannen und ihre Schwerter schwingen, zu seinen Ehren plündern, töten und schänden sie, und er kennt keine Gnade. Wir sollten nicht riskieren, den Heeresführer noch ungnädiger zu stimmen, auch wenn es nicht der König selber ist, sondern nur dessen oberster General - nicht in der bedrängten Lage, in der wir uns befinden.« Sie schritt zur Tür. Wie ein silberner Wasserfall floss der überreich gefältelte Stoff hinter ihr her.
    »Und Tanutamun?«, murmelte er in ihren Rücken.
    »Die Zeit der Kuschiten in Kernet geht zu Ende«, sagte sie, ohne sich umzuwenden. »Und nicht einmal wir beide, die das Goldland so sehr lieben, werden etwas daran ändern.« Er hörte ihr vertrautes Lachen. »Du kannst es ruhig glauben, Montemhet, denn diese Prophezeiung kommt schließlich aus dem Mund einer schwarzen Prinzessin.«
    »Und Amenardis? Was wird aus ihr?«
    »Die künftige Gottesgemahlin, was sonst? Dem Unsichtbaren ist es gleichgültig, welche Hautfarbe seine Gemahlinnen haben, wusstest du das noch nicht?« Sie lachte abermals.
    »Pharao Tanutamun hat sich übrigens auf das Westufer zurückgezogen. Aber auch zwischen den Mumien seiner Vorgänger wird er sich nicht mehr lange aufhalten. Deine Lastsegler sind zur Abfahrt bereit?«
    »Im Schutz der Nacht wollen sie die Anker lichten«, sagte er, erstaunt darüber, wie gut sie wieder einmal informiert war.
    »Ihre Fracht wird noch kostbarer sein, als es nach außen hin erscheint. Du hast vorzügliche Arbeit geleistet, mein treuloser Geliebter.« Er konnte nicht aufhören, auf ihre Schultern zu starren, die fast ebenso breit waren wie seine. »Ich weiß das zu schätzen. Auch, wenn wir nicht unsterblich geworden sind — weder du noch ich.«
    »Das Wichtigste in der Liebe ist die Sehnsucht«, erwiderte er und verging plötzlich vor Verlangen, sie zu berühren. Würde er ihre Kühle zum Schmelzen bringen können und unter den schützenden Fleischbergen sein heißes, zärtliches Mädchen von damals wiederfinden?

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