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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Wenn sie auch mit der Erfüllung erlischt. Deshalb ist die leidenschaftlichste Liebe stets die unerfüllte.« Er hielt kurz inne. »Vielleicht haben wir beide Glück gehabt, Schepenupet, trotz allem. Mehr, als wir uns vorstellen können.«
    Natürlich erhielt er keine Antwort.
    Er hatte auch keine erwartet. Aber zu seiner Befriedigung fiel die Tür hinter ihr mit deutlicher Verzögerung ins Schloss.
     
    oooo
     
    Das Kind lag verkehrt und kam nicht heraus — auch nach langen Stunden nicht. Inzwischen war es Nachmittag geworden, und noch immer arbeiteten die drei Frauen schweißüberströmt zusammen, Selene, die halblaut Anweisungen gab und alles versuchte, um das unerträgliche Los der Gebärenden zu erleichtern, Ruza, die schweigsam und mürrisch tat, was ihr geheißen wurde, und schließlich
    Sarit, die mit der schwindenden Kraft auch immer mehr den Mut verlor.
    »Er hat mich verwünscht«, sagte sie erschöpft. »Er will mich vernichten.« Sie schrie auf.
    Selene legte die Hand auf ihren Bauch, der sich in heftigen Wogen bewegte. Sie hatte gerade ihre kleine Tochter gestillt und gewickelt, die zum Glück wieder eingeschlafen war.
    »Hilf ihr, allmächtige Isis!«, murmelte sie. »Steh ihr bei!«
    »Lasst mich einfach sterben - immer noch besser als diese unerträglichen Schmerzen!«, flehte die Gebärende.
    »So kommen wir nicht weiter«, sagte Ruza, »wir hätten erst gar nicht so lange warten sollen. Vermutlich muss sie sogar aufgeschnitten werden. Wir müssen Hilfe holen, und das schnell, sonst stirbt sie uns wirklich noch.«
    Sarit verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Jetzt bekam sogar Selene Angst. Der Geruch nach Blut aus der Tiefe des weichen, geschundenen Unterleibs ließ sie unwillkürlich zurückzucken.
    »Nicht weggehen!«, murmelte die Gebärende. »Bleib da! Sonst holt Basa mein Kleines.«
    »Solange ich atme, wird er dein Kind nicht anrühren, das schwöre ich dir.« Selene wandte sich halb zu Ruza um.
    »Aber ich fürchte, du hast Recht. Es gibt nur eine, die uns wirklich helfen kann - Itaui, die beste Hebamme der Stadt. Hol sie! Sofort!«
    »Und wie soll ich ihr Haus finden?«
    »Du erkennst es an der blauen Tür. Es liegt direkt am Markt. Du kannst es gar nicht verfehlen.«
    Erstaunlicherweise gehorchte Ruza ohne Widerworte. Allerdings wandte sie sich zuerst dorthin, wohin ihr Herz sie schon seit Stunden zog. Als sie ihr Zimmer betrat, in dem die Luft vor Hitze zu stehen schien, hielt sie inne.
    Die Kinder schliefen, trotz der Sonnenglut ein schier unentwirrbares Knäuel aus Beinen und Armen. Jetzt, da sie so nah beieinander lagen, fiel die Ähnlichkeit zwischen ihnen auf mehr als sonst: die gewölbte Stirn und der hohe, spitz zulaufende Haaransatz. Beide hatten volle, geschwungene Lippen, lange Wimpern und vom Schlaf rosige Wangen. Aber was bei Khay übermütig und kraftvoll war, wirkte bei dem jüngeren Kind unschuldig und zart.
    Sie kam näher und schnupperte.
    Die beiden hatten offenbar Dattelbier getrunken, und nicht gerade wenig, darum schliefen sie so fest. Eigentlich hielt sie nichts davon, das Getränk schon kleinen Kindern einzuflößen, auch wenn viele Frauen zu diesem bewährten Mittel griffen, um ihre Ruhe zu haben. Aber heute war sie froh darüber. Je weniger die Kinder mitbekamen, desto besser. Sie hoffte nur, alles würde bald vorüber sein. Deshalb ging sie sehr vorsichtig vor, als sie das Kleine ein Stückchen von Khay wegrollte und auspackte.
    »Mein Kleines!«, flüsterte sie voller Rührung, nachdem sie die Windel wieder geschlossen hatte, und küsste den dunklen Fleck neben dem Auge, den sie am allermeisten liebte, weil er für sie wie ein Edelstein aussah. »Nur noch ein wenig Geduld! Dann bringe ich dich für immer fort aus diesem schrecklichen Haus. Und niemand wird jemals mehr wagen, dir weh zu tun, das verspreche ich dir!«
    Glühende Hitze umfing sie, als sie nach draußen trat. Die Straße hinunter zum Markt lag wie ausgestorben vor ihr. Alles schien sich in den Schutz der Häuser zurückgezogen zu haben. Aber es war keine friedliche nachmittägliche Stille wie sonst, wenn die Sonne so erbarmungslos herunterbrannte, dass nicht einmal die streunenden Hunde ihre Schattenplätze verließen. Vielmehr kam es Ruza so vor, als halte die ganze Stadt den Atem an.
    Sie ging schnell, obwohl sie schon bald zu keuchen begann.
    Der Schweiß lief an ihr hinunter und sammelte sich als
    Rinnsal zwischen ihren Brüsten; auch die Handflächen waren feucht.

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