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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Anwesenheit der fremden Soldaten schwer über der Stadt, die nur zögernd zu ihrem gewohnten Leben zurückfand. Auf dem Markt war anstelle des üblichen Gedränges nur eine Hand voll Händler zugange, und was sie an ihren Ständen feilboten, wirkte kümmerlich und halb verwelkt.
    Natürlich blühte der Schwarzhandel an verborgenen Stellen.
    Wer genügend Kupfer oder Silber besaß, konnte nach wie vor bekommen, was das Herz begehrte, für die anderen jedoch wurde die Lage immer schwieriger.
    Ein paar Kinder spielten vor ihm im Straßenstaub, so mager und verlaust, dass sein Herz sich zusammenzog. Einer hatte vom Boden ein schimmeliges Stück Brot aufgeklaubt, vom dem er hungrig abbiss. Wie gut hatten es dagegen seine Söhne, die sich satt essen konnten und in einem schönen Haus lebten! Für ein paar Augenblicke empfand Basa beinahe so etwas wie Zufriedenheit. Bald schon würde eine Flut von Arbeit über ihn und seine Leute hereinbrechen, denn all die zerstörten und niedergebrannten Häuser mussten repariert oder neu aufgebaut werden. Zynischerweise gab es für einen Baumeister nichts Lukrativeres als eine halb zerstörte Stadt.
    Dann jedoch verstärkte sich seine innere Unruhe. Vor allem gelang ihm nicht mehr, die dunkle Melodie zu übertönen, die inzwischen sein ständiger Begleiter geworden war. Noch rascher schritt er aus, getrieben von einer merkwürdigen Mischung aus Unruhe und Angst, bis er schließlich an der Stadtmauer angelangt war. Zwei Assyrer bewachten das nördliche Tor, finstere, schwer bewaffnete Männer, die ihn von oben bis unten musterten.
    Würden sie ihn durchsuchen?
    Zu seiner Überraschung ließen sie ihn ohne Umstände passieren. Er ging bewusst langsam weiter, weil er sich sicher war, dass sie ihm nachschauten. Als er jedoch den geheimen Eingang erreicht hatte, konnte er seine Erregung kaum noch zügeln.
    Basa blieb stehen, sah sich sorgfältig nach allen Seiten um.
    Dann bückte er sich, zog den Schlüssel heraus, den er zurückbehalten hatte, und stieg die unebenen Erdstufen hinunter.
    Erst jetzt, allen Blicken entzogen, entzündete er das Öllämpchen.
    Die Tür war unverschlossen, wie er vermutet hatte. Abgestandene Luft schlug ihm entgegen, als er langsam den unterirdischen Gang betrat. Schon nach wenigen Schritten begann es in seinem Schädel zu rauschen, als ob der Kopf auf einmal zu klein geworden sei. Und plötzlich überfielen sie ihn, die alten Bilder, vor denen er sich so fürchtete.
    Ich werde dir Gehorsam beibringen, du Bastard! Und wenn ich deinen gottverdammten Eigensinn eigenhändig Stück für Stück aus dir herausprügeln muss!
    Trotz aller Anstrengung hatte er ihn nicht hinunterbekommen, jenen Fraß aus halb garem Fleisch und fasrigen Bohnen, den seine Mutter ihm zusammengemantscht hatte, und als er seinen Teller nicht leerte, wie sie verlangt hatte, hatte sie den Rest einfach vor ihm auf den Boden gekippt.
    Friss!
    Nicht einmal ein ausgehungerter Hund hätte sich darüber hergemacht. Basa schüttelte den Kopf und rührte sich nicht.
    Dieses Mal würde er nicht tun, was sie forderte. Es war Unrecht, was sie ihm antat, wie so vieles andere, und sie wussten es beide. Er erschrak über diesen neuen Gedanken.
    Irgendetwas in ihm begann sich zu verändern, aber er begriff noch nicht, was es war.
    Komm her!
    Nichts hasste er mehr als diesen Satz aus dem Mund seiner Mutter. Ihre Lippen wurden schmal, wenn sie ihn aussprach, ihr Blick wurde ganz leer. Bislang hatte er sich dem Befehl jedes Mal gebeugt, obwohl er ihr inzwischen schon bis zur Schulter reichte. Er wusste, dass ihm nun
    Prügel bevorstanden. Aber er konnte noch nicht ermessen, wozu sie fähig war. Blind vor Wut riss sie ihn nach oben, stieß ihn voran und verweigerte jede Erklärung.
    Erst als die Tür hinter ihm zufiel, erkannte er, dass er in einem Erdloch eingesperrt war. Drei Tage und drei Nächte ließ sie ihn allein in der Dunkelheit, in der er nur einen Krug brackiges Wasser fand und die Notdurft unter sich verrichten musste. Er schrie sich die Kehle aus dem Leib, er flehte und bettelte, halb ohnmächtig vor Hunger, Durst und Angst, aber sie kam nicht.
    Seine Stimme war heiser, die Augen schienen blind, als sie ihn endlich wieder herausließ.
    Wieso überfielen ihn ausgerechnet in dieser Situation solche Erinnerungen? War es das hässliche Gefühl, betrogen und verraten worden zu sein, das sie weckte?
    Klamm vor Aufregung schritt er weiter, bis sein Fuß plötzlich an etwas Hartes stieß. Er bückte sich und

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