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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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jetzt will ich euch wirklich nicht länger stören!«
    Er wandte sich um und ging zur Tür.
    »Ist es wahr, dass deine Mutter jetzt bei euch lebt?«, rief Selene ihm hinterher. »Isis hat neulich so etwas erzählt. Sie spielt ja ab und zu mit deinen Jungen. Hast du was dagegen?«
    »Die Ama?« Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, sein triumphierendes Lächeln wieder verschwinden zu lassen, bevor er Selene ernst ansah. »Ja, ich habe sie aus Mennefer geholt. Sie braucht uns. Vor allem aber brauchen wir sie.« Nicht einmal eine Lüge, wenn man es recht bedachte. Ihm schien, dass Selenes Gesicht bei seinen Worten etwas weicher wurde.
    »Und was sollte ich schon dagegen haben, dass unsere Kinder zusammen sind? Sind sie nicht beinahe so etwas wie Geschwister?«
     
    oooo
     
    Psammetich war einer der hässlichsten Männer, die Montemhet je gesehen hatte — und zugleich einer der würdevollsten. Jede Elle ein Fürst, daran änderten weder das Doppelkinn etwas noch die Furchen an den Wangen, schon gar nicht die spitze Nase oder die überdimensionalen Tränensäcke, die ihm das Aussehen eines alternden Hundes gaben. Er balancierte seinen eiförmigen Schädel auf einem dünnen Hals, der in seltsamem Gegensatz zu dem Rest seines gedrungenen Körpers stand. Wer aber einmal in seine Augen geblickt hatte, musste erkennen, wen er vor sich hatte: einen kristallklaren Geist, der alles registrierte und sich von keiner noch so gefälligen Hülle täuschen ließ.
    »Du mögest leben, heil und gesund sein, Nabuschezibanni«, sagte Montemhet provokant. Wie würde der Vasall auf den assyrischen Namen reagieren? Und erst auf den Segensspruch, der traditionell dem Pharao vorbehalten war?
    »Amun sei mit dir, >Großer in Waset<«, erwiderte sein Gegenüber freundlich. »Zu viel der Ehre! Lass uns ganz ungezwungen wie zwei aufrechte Männer miteinander umgehen.
    Ich danke dir, dass du den weiten Weg auf dich genommen hast, Montemhet. Natürlich grüße ich ebenso deinen jungen Sohn.« Er griff nach seinem Fächer. »Ach ja, und übrigens nennt man mich Psammetich.«
    Die Begrüßung hatte vor dem großen Götterfest stattgefunden, das äußerst sorgfältig vorbereitet und so perfekt inszeniert war, dass es eine Weile dauerte, bis Montemhet die politische Dimensionen der Kulthandlung in vollem Umfang begriff. Nach dem festlichen Zug zum Tempel, dem sich viele Gläubige anschlossen, wurde dieser vom Hohenpriester gereinigt, so ausführlich, als handle es sich um eine Art Dämonenaustreibung.
    Dann erst erfolgte die Opferung. Weiße Rinder, Myrrhe und süß duftendes Holz waren unter den Gaben, die Ptah, dem Stadtgott Mennefers, dargebracht wurden. Aber auch die anderen Gottheiten, allen voran Re, Atum und Amun, wurden nicht minder reichlich bedacht und geehrt, ja, Montemhet kam es vor, als liege ein ausdrücklicher Schwerpunkt auf der Huldigung Amuns. Die ganze Zeit über verhielt Psammetich sich zurückhaltend, trat weder als Herrscher auf noch als künftiger Pharao, sondern nahm gelassen und demütig seinen Platz als Priester unter anderen Gottesdienern ein.
    Wollte er ihn damit gewinnen? Und wenn ja, wofür? Oder war es vielmehr ein Zeichen für die Bewohner der Stadt, das seine Ehrfurcht vor allem Göttlichen verdeutlichen sollte?
    Fragen, die Montemhet noch immer beschäftigten, als er am Abend zum Festmahl im Palast eintraf. Zu seinem Erstaunen hatte Psammetich nichts an den farbenfrohen, etwas pompösen Dekorationen verändert, die die schwarzen Pharaonen an den Wänden ihrer einstigen Lieblingsresidenz hatten anbringen lassen. Immer noch Nilpferdjagden im Sumpf, noch immer Löwinnen, die im hohen Gras ihre Beute anpirschten.
    Neu dagegen war die unverkrampfte Herzlichkeit fern jeder steifen Hofetikette, mit der man Montemhet und Nesptah begegnete, und neben den erlesenen Speisen und Weinen, die aufgetischt wurden, war sie es, die den jungen Mann besonders beeindruckte.
    »Ich habe mir den Hof in Mennefer immer ganz anders vorgestellt«, sagte Nesptah halblaut zu seinem Vater, als das Bankett zu Ende ging und hübsche Tänzerinnen aus Griechenland auftraten, deren akrobatische Vorführung bei der Festgesellschaft großen Anklang fanden. »Förmlicher, distanzierter, anders auf jeden Fall. Aber hier verstehen sie wirklich zu feiern!«
    »Psammetich versteht es«, korrigierte ihn Montemhet. »Sein Sohn am anderen Ende der Tafel macht dagegen ein finsteres Gesicht. Noch ein unreifer Knabe und schon so missmutig!
    Sieht ganz so aus, als

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