Isis
erhofft hatte, kleine, gräulich schimmernde Statuen, die ihm selbst aus der Entfernung merkwürdig vertraut vorkamen. Ein paar Schritte, dann sah er, was er hatte sehen wollen: Lauter Bildnisse der Göttin Isis. Und alle hatten sie Selenes Gestalt und ihr Gesicht.
»Du? Was willst du hier?« Ihre Stimme war noch immer hell und leicht belegt, wie er sie in Erinnerung hatte. Selene kam ihm sehr dünn vor und blass dazu, von einer aufregenden Zerbrechlichkeit, die seine Phantasie sofort belebte. Fraß ein heimlicher Kummer an ihr? War sie krank gewesen?
Er hütete sich, danach zu fragen. Schon der kleinste Fehler konnte alles verderben.
»Dich in einer persönlichen Angelegenheit um Hilfe bitten«, sagte er, während er die Umgebung taxierte und jedes Detail aufnahm. »Jeder braucht die Hilfe anderer Menschen, so hast du es einmal treffend ausgedrückt, wenn ich mich recht entsinne. Und heute bin ich hier, weil ich dich brauche.«
Der Doppelsinn seiner Worte entzückte ihn. Seine Haltung jedoch blieb weiterhin höflich und distanziert.
»Wozu?«
Wie würde es sein, ihren geheimsten Teil zu berühren? Würde sie stöhnen, schreien, sich an ihn klammern? Die Vorstellung wurde fast übermächtig, aber er hatte schon so lange gewartet, dass es auf etwas mehr Geduld nicht mehr ankam.
»Ich habe endlich das passende Grab für Sarit gefunden«, sagte er, »und bin zudem in der Lage, den hohen Preis dafür zu bezahlen. Sie soll ein Haus für die Ewigkeit erhalten, das ihrer würdig ist.« Die gleichen Worte, die er auch bei Nezem benutzt hatte. Würden sie diesmal wirksamer sein?
»Es fällt dir reichlich spät ein, dich um Sarit zu kümmern«, sagte Selene kühl. »Hättest du schon zu ihren Lebzeiten damit angefangen, so wäre sie womöglich noch bei uns.«
»Ich weiß«, sagte er. »Ich habe Fehler gemacht, die ich heute bereue. Aber keiner von uns kann das Rad der Zeit zurückdrehen. Glaub mir, wenn ich es könnte, ich würde es tun!«
Selene musterte ihn, und er konnte nicht sagen, ob sie erstaunt oder skeptisch war. »Ich habe mich immer gefragt, wie sie wirklich gestorben ist«, sagte sie schließlich. »Damals hieß es, es sei ein Unfall gewesen.«
»Das war es auch«, antwortete Basa schnell. »Sie ist im Dunkeln die Treppe hinuntergestürzt. Als ich sie fand, war sie bereits tot. Niemals werde ich diesen Anblick vergessen. Deshalb möchte ich jetzt auch alles unternehmen, dass es ihr wenigstens im Totenreich an nichts fehlt. Dazu gehört der Tradition gemäß göttlicher Schutz in Form von Statuen. Genau da jedoch liegen meine Schwierigkeiten.«
Selene hörte ihm inzwischen konzentriert zu, das sah er an der steilen Falte zwischen ihren Brauen.
»Denn dein Mann, den ich um diesen Gefallen gebeten habe, hat mich abgewiesen. Leider.«
»Und genau das wird er auch jetzt wieder tun!« Mit ungehaltenem Gesichtsausdruck tauchte Nezem hinter ihm auf.
»Meine Antwort war eindeutig. Lass uns also endlich in Frieden, Basa! Ich möchte ein Bad nehmen und wenigstens einmal ausreichend schlafen.«
»Willst du es dir nicht noch einmal überlegen, Liebs-
ter?«, sagte Selene zu Basas Freude. Da war sie, die Reaktion, auf die er insgeheim gebaut hatte! »Mir gefällt die Idee mit Sarits würdigem Haus für die Ewigkeit. Und ich finde, sie hat es verdient, nach allem, was geschehen ist. Mit deinen wundervollen Händen könntest du einen Beitrag dazu leisten.«
Als der Steinmetz sich unwillig abwenden wollte, hinderte sie ihn sanft daran. »Tu es für mich, nicht für ihn, Nezem!«, sagte sie bittend. »Es würde mich froh machen.«
»Als hätte ich nicht schon mehr als genug zu tun!«, protestierte er, bereits halb überredet. »Und du weißt genau, Schepenupet mag es nicht, wenn ...«
»Aber du kannst doch hier arbeiten, in deiner kleinen Werkstatt, wo niemand dich stört. Die >Gottesgemahlin< muss niemals etwas davon erfahren.«
»Kein Wort von mir«, sagte Basa eilig. »Und natürlich spielt der Preis keine Rolle. Ich möchte, dass du bei diesem Auftrag voll und ganz auf deine Kosten kommst.«
»Darum geht es doch nicht«, murmelte Nezem, den mehr und mehr ein ungutes Gefühl überkam, gegen das er machtlos war. »Aber mehr als von Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang .«
»Du hast alle Zeit der Welt, das versteht sich von selbst«, sagte Basa. »Irgendwann in den nächsten Tagen komme ich wieder. Dann besprechen wir alles in Ruhe. Ich bin so froh, dass ich dich — dass wir dich umstimmen konnten! Aber
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