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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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genug für heute. Und außerdem wartet Anu auf mich.«
    Er sah die feinen Schweißperlen auf ihrer Oberlippe und die sonnengebleichten Härchen auf dem Unterarm. Ihre hellen Augen waren so schön! Und stand nicht eine stumme Aufforderung in ihnen geschrieben?
    Unbeholfen, keineswegs sicher, legte er ihr den Arm um die Taille und beugte sich zu ihr hinunter, um sie küssen. Einen Lidschlag lang berührten sich ihre Lippen, und Khay spürte einen süßen Schmerz in seinen Lenden, dann stieß Isis ihn überraschend kraftvoll weg.
    Heftig atmend standen sie sich einen Augenblick gegenüber.
    »Du willst es doch auch! Ich weiß genau, wie sehr du es willst. Und vergiss endlich den kleinen, dummen Anu! Was hast du denn schon von diesem Stotterer? I-i-ich liebe d-ddich!«, äffte er ihn mit verstellter Stimme nach. »N-n-nur dich allein! Weißt du eigentlich, dass er manchmal sogar noch ins Bett pinkelt — in mein Bett, wohlgemerkt, weil er viel zu feige ist, um endlich allein zu schlafen?«
    Sie wandte sich wortlos um und ging einfach fort.
    Khay lief ihr hinterher, packte ihr Handgelenk und zwang sie sich umzudrehen. Erneut zog er sie zu sich heran, diesmal jedoch war Isis besser darauf vorbereitet.
    Sie hob den Arm und holte aus. Ihr Schlag brannte auf seiner Wange. »Sag das nie wieder über Anu!«, sagte sie scharf. »Hast du verstanden?«
    Mit offenem Mund sah Khay ihr hinterher, wie sie geschmeidig die Böschung erklomm und mit schnellen Schritten aus seinem Blickfeld verschwand.
     
    oooo
     
    Tausendmal hatte sich Selene schon geschworen, nie wieder einen Fuß auf Basas Grund zu setzen. Je mehr Zeit verstrichen war, seit sie wieder zu ihm hatte gehen müssen, desto sicherer war sie sich, ihren Schwur dieses Mal einhalten zu können. Es war einfach, wenn Nezem jeden Abend nach Hause kam, sich wusch und mit großem Appetit das Essen verzehrte, das sie für ihn zubereitet hatte. Seine tiefe Stimme vertrieb alle bösen Geister, und wenn sie sich später in ihrem kleinen Zimmer im Mondlicht liebten, war es, als hätte es Basa und sein verwünschtes Gartenhaus niemals gegeben.
    Aber oftmals führten ihren Mann weite Reisen in andere Teile Kemets. Die »Gottesgemahlin« schien zunehmend größeren Gefallen an immer noch kostbareren, immer noch ausgefalleneren Steinen zu finden und beauftragte ihren Ersten Bildhauer damit, nicht nur vor Ort für den Abbau zu sorgen, sondern auch den Transport persönlich zu überwachen. So gab es viele Abende, an denen Selene allein blieb.
    Manchmal war sie nahe daran, zu Schepenupet zu gehen und sie zu bitten, einen anderen an Nezems Stelle loszuschicken, aber natürlich wagte sie das nicht. Was hätte sie der »Gottesgemahlin« auch sagen sollen?
    Wieso stiehlst du mir meinen Mann? Siehst du nicht, dass ich ohne ihn zugrunde gehe, weil ich zu feige bin, um einen gemeinen Erpresser abzuweisen, den ich eigentlich abgrundtief verachte?
    Sie konnten froh sein, dass Nezem diese verantwortungsvolle Stellung bekleidete, die den Wohlstand der ganzen Familie sicherte. Was ihn freilich nicht daran hinderte, jede freie Stunde in seiner häuslichen Werkstatt zu verschwinden. Seine graugrünen Isis-Figuren waren inzwischen so zahlreich geworden, dass sie ihn damit aufzog.
    »Bisweilen glaube ich fast, sie sind dir wichtiger als ich. Ist es, weil sie nicht widersprechen können, sondern alles tun müssen, was du ihnen befiehlst?«
    Nezem ließ sich Zeit mit seiner Antwort, legte schließlich aber doch den Meißel aus der Hand und zog Selene zärtlich an sich.
    »Wenn ich sie berühre, streichle ich eigentlich immer dich«, sagte er ernst. »Spürst du das nicht? Du musst es doch spüren! Sie sind nichts anderes als ein schwaches Abbild meiner Liebe zu dir. Du bist meine Göttin, Selene. Du allein.«
    Sie musste sich abwenden, damit er ihre Tränen nicht bemerkte.
    Nun aber war Nezem seit mehr als einem Mond unterwegs, und jeden Tag rechnete sie damit, Basas kahlen Diener wie einen stummen Dämon vor ihrem Haus auftauchen zu sehen - das vereinbarte Zeichen, dass Basa sie unverzüglich zu sehen wünschte. Ausreden waren zwecklos, das hatte sie im Lauf der Zeit gelernt. Gehorchte sie nicht auf der Stelle, folgten Drohungen, die sie erschreckten. Iucha war nichts anderes als ein lebender Befehl, und er war zu Selenes Entsetzen bestens darüber im Bilde, wo Nezem sich befand. Noch war er dieses Mal ausgeblieben, aber schon machte sich wieder die altbekannte Unruhe in ihr bemerkbar. Sie schlief schlecht,

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