Isis
geschminkten Frauen anzufassen oder gar zu küssen, reizte und ängstigte ihn so sehr, dass er fürchtete, auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Aber wenn er abends allein in seinem Bett lag und sich selbst berührte, ließ er diese Bilder als erregende Phantasiebilder immer wieder vor sich erstehen.
Er hatte längst herausgefunden, wozu der Vater das Gartenhäuschen benutzte. An den Schlüssel heranzukommen, den Iucha als grimmiger Hüter dieser verbotenen Schwelle nicht aus der Hand gab, schien allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. Irgendwann war Khay deshalb einfach auf das Dach geklettert und hatte dort so lange an der Verschalung gezerrt, bis sich ein schmaler Spalt geöffnet hatte.
Es war nicht viel, was er sehen konnte, aber es genügte, um seine Vorstellungskraft weiter anzuheizen: ein breites Lager mit Decken und Kissen, an dessen Kopfende eine Reihe merkwürdiger Gerätschaften angebracht waren. Ein schwerer Duft stieg aus dem Raum auf, der ihn ganz kribbelig machte und gleichzeitig all seine Sinne weckte. Was hätte er darum gegeben, heimlich auf der Lauer zu liegen, während der Vater hier unten mit einer Frau zusammen war! Bislang jedoch hatte sich leider noch nie die Gelegenheit dazu ergeben.
Es gab niemand, mit dem er diese verwirrenden Empfindungen hätte teilen können. Anu erschien ihm zu jung und zu harmlos dafür, und anderen seines Alters begegnete Khay voller Misstrauen und Zurückhaltung. Niemand sollte an seine Geheimnisse rühren — nicht einmal Isis. Bisweilen allerdings musterte sie ihn mit diesem seltsamen Blick. Dann war er überzeugt, dass sie alles über ihn wusste, und er schämte sich noch mehr.
Es erleichterte ihn, sie absichtlich zu provozieren. Wenn ihre Augen die Farbe verloren, weil er sie vor den Kopf gestoßen hatte, verspürte er ein Gefühl von Macht und Überlegenheit, das allerdings schnell wieder verflog. Er war fast süchtig danach, sich dieses Gefühl wieder zu verschaffen, und benutzte jede Gelegenheit dazu, die sich ihm bot.
»Ich glaube, ich werde jung sterben«, sagte er, nachdem er Isis auf dem Schulweg abgepasst hatte. An den meisten Tagen klebte Anu an ihrer Seite, heute jedoch kam sie allein um die Ecke. Sie rannte ihm nicht entgegen, wie sie es noch vor Wochen getan hätte, sondern näherte sich langsam und verfiel plötzlich wieder in ihr typisch unregelmäßiges Hüpfen.
Ihre Brüste waren klein, aber unübersehbar. Er konnte kaum ertragen, wie sie bei jedem Schritt gegen den dünnen Stoff drängten. »Kommst du noch mit mir zum Fluss?«
»Weshalb sagst du ständig solchen Unsinn?«, fragte Isis unwirsch und folgte ihm in einigem Abstand zu ihrem alten Platz am Ufer. »Um mir Angst zu machen? Oder weil du Streit suchst? Ich hasse es, wenn du so bist, damit du es nur weißt!«
Beide wagten nicht sich hinzusetzen, dafür war die unausgesprochene Spannung zwischen ihnen zu groß.
»Aber ich kann doch nicht anders. Weil nur ein Teil von mir hier ist«, erwiderte er, ohne sie anzusehen. »Der andere ist immer anderswo.« Er warf einen flachen Stein übers Wasser und ließ gleich ein halbes Dutzend weitere hinterher schnellen. »Da ist ständig ein Zerren und Reißen in mir. Manchmal so stark, dass ich schreien könnte. Oder zuschlagen. Oder einfach nur weglaufen. Aber du weißt wahrscheinlich nicht einmal, wovon ich rede.«
Isis wirkte auf einmal fast erwachsen. »Ach ja? Und wieso lauerst du mir dann heimlich auf, wenn ich in deinen Augen doch nichts anderes als eine dumme kleine Gans bin?«
Er legte den Arm um sie und zog sie zu sich heran. Es war lang her, seitdem er sie überhaupt berührt hatte, und die vertrauliche Unbefangenheit, mit der Anu sich solche Annäherungen nach wie vor erlaubte, ließ ihn jedes Mal neidisch werden. Jetzt wagte er es aus einem instinktiven Gefühl des Beschützens heraus, das sich warm und gut anfühlte. Isis ließ es ohne Widerstand geschehen. Außerdem passte ihr Kopf genau unter sein Kinn, als ob er für nichts anderes erdacht sei, als in seiner Umarmung zu ruhen.
»Ich fürchte, ich kann manchmal ein richtiger Idiot sein«, murmelte er an ihrem Haar. Es war so weich, dass alles in ihm sich aufzulösen schien — alle Ecken, Kanten und Knoten.
»Das kannst du wirklich, Khay. Und nicht nur manchmal.«
Isis lachte und versuchte, sich frei zu machen, Khay aber ließ sie nicht gehen, sondern verstärkte seine Umklammerung.
»Lass mich los!«, sagte sie plötzlich sehr ernst und entwand sich ihm. »Es ist wirklich
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