Isis
Weil ich nie so wie Khay sein werde. Und weil i-i-ich ...«
»Willst du es eigentlich loswerden?«, fragte Isis spontan.
»W-w-was?«
»D-d-das«, sagte sie mutig und sah ihn unverwandt an. Anu starrte sie entsetzt an. Dunkelrot vor Scham, wollte er sofort auf und davon laufen. Geistesgegenwärtig packte Isis seine Hand.
»Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde. Und wehtun will ich dir schon gar nicht — niemals! Aber ich sehe doch, wie unglücklich du bist, weil die anderen dich immer verspotten.
Dann fühle ich mich auch ganz krank.«
»I-i-ich h-h-hasse e-e-es ...« Sein magerer Körper geriet in wilden Aufruhr.
»Beruhige dich!«, sagte sie. »Es wird nur schlimmer, wenn du dich aufregst. Aber hier sind doch nur wir beide. Also kein Grund, den Kopf zu verlieren, oder?«
»D-d-das hat Neshet auch immer gesagt. Dass ich lieber ganz langsam reden soll, wenn ich möchte, d-d-dass es besonders schnell geht.« Er sah sie an, als hinge sein Leben von ihr ab.
»Aber ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll.«
»Gibt es denn keinen Lehrer, den du fragen könntest?«
»K-k-keinen Lehrer!«, sagte er bestimmt. »Khay sagt immer, man darf ihnen nicht trauen.«
»Und die Ama?«
Erstaunt fuhr er zu ihr herum.
»Sie lebt schon länger als wir alle. Vielleicht weiß sie eine Lösung. Frag sie! Was hast du schon dabei zu verlieren?«
»I-i-ich kann es ja einmal versuchen«, sagte Anu ernst. »V-vvielleicht gar keine so schlechte Idee.«
oooo
Es half nichts, wenn Udjarenes jeden Tag noch früher mit ihrer Morgentoilette begann, wenngleich das Badezimmer, das sie bereits zum dritten Mal hatte umbauen lassen, der einzige Raum im Haus war, in dem sie sich einigermaßen geschützt fühlte. Inzwischen waren vier Dienerinnen damit beschäftigt, ihr dabei stundenlang zur Hand zu gehen, junge, in ihren Augen allerdings ziemlich ungeschickte Frauen. Niemals gossen sie das Wasser richtig über sie. Niemals setzten sie den Brei aus gestoßenen Straußeneiern, Schildkrötenpanzern und Tamarisken, der jeden Körpergeruch verhindern sollte, in der richtigen Konsistenz an. Niemals fiel die Massage so aus, dass sie sich anschließend einigermaßen wohl fühlte.
Es hieß, kostbare Öle würden die Haut glätten und Runzeln vorbeugen, aber Udjarenes brauchte sich nur kritisch anzusehen, um zu wissen, dass das nichts als ein Haufen billiger Lügen war. Der Spiegel war zu ihrem bittersten Feind geworden. Immerhin bekam sie ihr Spiegelbild wesentlich öfter zu Gesicht als Montemhet, ihren Ehemann, der jede Gelegenheit zu nutzen schien, ihre Nähe zu fliehen.
Als sie jung gewesen war, hatte sie sich goldene Gewichte in die Haare flechten lassen, damit diese beim Gehen und Tanzen besser schwangen. Inzwischen war ihr Haar mürbe geworden vom häufigen Färben, und sie hatte sich längst angewöhnt, auf aufwändig gearbeitete Perücken zurückzugreifen, die ihr manchmal das Gefühl gaben, sie trage eine heimliche Krone auf dem Kopf — geschmiedet aus Leid, unerwiderter Liebe und Rachsucht.
Schwarzes Antimonpulver für die Augen, Galenit, um die Wimpern zu betonen, roter Ocker für Wangen und Mund — sie schminkte sich stärker als früher, manchmal so ungehemmt, dass ihr das eigene Gesicht wie eine Maske vorkam.
Und hatte sie nicht wirklich eine Maske auf, mit der sie die ganze Welt täuschen konnte, aber nicht ihr wundes Herz?
Das größte Kapital war noch immer die Figur, schlank und rank wie vor Jahren, und sie sorgte mit besessenem Eifer dafür, dass sich das Gewicht um kein Deben veränderte. Jeden Bissen zählte sie, verzichtete auf Wein, fettes Fleisch und Konfekt, weil sie die schlaffen, aufgedunsenen Körper der anderen Frauen ihres Alters zutiefst verabscheute. Und trotzdem, was immer sie auch anstellte, es gab nichts, das jenen schrecklichen Prozess hätte aufhalten können, dem sie so aussichtslos den Kampf angesagt hatte.
Sie würde sterben, ohne jemals die Liebe ihres Mannes erfahren zu haben — und der Abstand, der sie von ihrem Ableben trennte, schwand mit jeder Stunde. Es gab Tage, da kroch der giftige Skorpion dieser Gewissheit so tief unter ihre Haut, dass sie hätte schreien mögen. Dann duckte sich das ganze Personal unter ihrem Keifen und Wüten und versuchte, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen, bis sie sich wieder halbwegs gefangen hatte.
An einem solchen Tag begehrte der Hohepriester Horachbit, sie zu sehen. Udjarenes ließ ihn ungebührlich lange warten, bevor sie endlich in den
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