Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
Ein altes Navy-Shirt angezogen, Rollkragenpullover und Jogginghosen. Er ist in die schwarzen Nikes geschlüpft und hat das Mobiltelefon ausgeschaltet. Dann ging er von Kópavogur hinaus nach Nes.
Er beobachtet, wie Reynir nach Hause kommt, wartet eine halbe Stunde und beginnt dann, die Lage zu sondieren. Arvydas lächelt breit. Im Kellerfenster ist ein kleiner Spalt. Er nimmt die Eisenstange und hebelt das Fenster auf. Nichts geschieht. Wie vermutet hat Reynir das Überwachungssystem nicht eingeschaltet. Er schiebt sich lautlos durchs Fenster hinein und kommt in ein riesengroßes Kellerzimmer im Souterrain. Dort befinden sich ein Billardtisch und eine Dartscheibe. Ein Fernseher nimmt die halbe Wand ein. Er erblickt schnell eine Treppe, die nach oben in die darüberliegende Etage führt. Er geht die Stufen hoch und öffnet sachte die Tür. In der mittleren Ebene des Hauses ist alles in Weiß gehalten. DerFußboden ist aus weißem Marmor. Die Decken und Wände sind weiß, die Möbel hingegen schwarz. Er hat Werbung für diese Möbel gesehen. Sie haben alle irgendwelche Namen. Er erinnert sich, dass ein Stuhl Ei hieß und ein anderer Schwan. Oder hieß er Die Ente?
Er geht geradewegs in die Küche. Das hier ist etwas anderes, als er es aus dem Engihjalli gewöhnt ist. Kein Müll von Ikea hier. Ein riesengroßer, zweifacher amerikanischer Kühlschrank und verchromte Elektrogeräte. Von allem das Allerfeinste und sogar eine eingebaute Kaffeemaschine. Arvydas schüttelt den Kopf. Luxuswahn und Protzerei, denkt er und geht weiter ins Wohnzimmer. Dort stößt er auf ein gigantisches Eisbärenfell am Boden vor dem Kamin, der sicherlich aus Steinen der ägyptischen Pyramiden oder von einem ähnlich besonderen Ort gebaut wurde. Arvydas bemerkt eine offene Schiebetür zum Garten und tritt hinaus. Er sieht Reynir Sveinn genüsslich im Heißen Pott liegen, mit geschlossenen Augen und einem Champagnerglas in der Hand. Der hat keine Ahnung davon, dass sein Dasein auf dieser Erde sich dem Ende zuneigt. Arvydas geht zu dem Whirlpool. Geräuschlos positioniert er sich hinter Reynir und reißt ihn dann mit einem Nackengriff aus dem Wasser. Er braucht nicht gerade wenig Kraft, denn Reynir Sveinn ist ein großer und sportlicher Mann. Arvydas ist allerdingsbullenstark und den Nahkampf gewohnt. Er dreht Reynir mit einem Griff um und sieht ihm in die Augen.
»Was? Wer zum Teufel! Wie bist du reingekommen? Wer bist du überhaupt, du verdammter Idiot?«, schreit Reynir.
Arvydas schaut ihn schweigend an, das Gesicht regungslos, und zieht sein altes Jagdmesser heraus, das ihm schon gehört hat, als er ein kleiner Junge war. Das ist kein Taschenmesser, sondern ein solides, kunstgeschmiedetes Stück mit Ledergriff und einer fünfzehn Zentimeter langen einschneidigen Klinge.
»No more champagne«, sagt Arvydas mit starkem Akzent.
Er rammt das Messer mit ganzer Kraft in Reynirs Bauch, schlitzt ihn auf, dreht die Klinge um und zieht es blitzschnell zurück. Die Handgriffe sind routiniert.
Das Messer trifft präzise ins Ziel, denn das Blut schießt an Reynirs Beinen herab. Das Gras vor ihm wird sofort blutrot. Arvydas springt zur Seite, um dem blutigen Sturzbach zu entgehen.
»Bist du von der russischen Mafia, du verdammter Idiot?«, stöhnt Reynir und sinkt vor dem Litauer auf den Bauch.
Arvydas sieht herab in sein Gesicht, das von Schmerz entstellt ist. Die Augen treten hervor. Reynir würgt ununterbrochen und erbricht Blut.
»Das ist ein Missverständnis. Hilfe! Hilfe!«, röchelt er, bevor er das Bewusstsein verliert.
Arvydas setzt den Rucksack ab, holt den Drahtschneider und die Box heraus und beginnt sein Werk. Er schneidet den rechten Daumen ab, ein Beben geht dabei durch den Magnaten. Ein hauchfeiner Blutstrahl schießt aus dem Daumen, und ihm gelingt es nur knapp, sich davor schützen. Dann legt er den Daumen in die Box. Hat er nicht was von russischer Mafia gewinselt?, denkt Arvydas. Am besten erhält er eine kleine Mafiabehandlung. Er ändert den Plan, schneidet einen Finger nach dem anderen von Reynirs Händen ab und wirft sie in den Whirlpool. Das Brechen der Knochen, als der Drahtschneider die Fingerglieder zertrennt, klingt ihm vertraut. Es ist nicht das erste Mal, dass er jemandem Gliedmaßen abtrennt. Er hätte es mit geschlossenen Augen tun können.
Reynir ist bereits verblutet durch den Messerstich in den Bauch. Arvydas wälzt ihn in den Heißen Pott, wie den Kadaver eines Tieres. Das heiße Wasser färbt sich sofort
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