Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
blutrot. Arvydas begutachtet die Spuren seiner Tat. Ein toter Mann liegt im Pott, und neun Finger treiben um ihn herum. Das ist vielleicht nicht ganz genau so, wie er es sich gedacht hatte, doch scheiß drauf. Lange schon hat er sich nicht mehr so wohl gefühlt. Er sammelt in Ruhe sein Messer, den Schneider und die kleine Dose mit dem Daumen ein und stecktalles in den Rucksack. Sein Blick fällt auf eine Außendusche mit gemauerten Wänden dicht neben dem heißen Pott. Er schaut an sich herab und sieht, dass sein Pullover und die Hose vom Kampf mit Blut besudelt sind. Er entkleidet sich, stopft den Rollkragenpullover, die Jogginghose und das T-Shirt zusammen in eine Plastiktüte, steckt sie in den Rucksack und legt oben drauf das Messer und den Schneider. Er zieht die Gummihandschuhe aus und legt auch sie hinein. Zuoberst in den Rucksack kommen seine schwarzen Nikes. Er kann nicht erkennen, dass sie etwas abbekommen hätten.
Arvydas steht nackt vor der Dusche und dreht das Wasser auf. Das Blut fließt mit dem heißen Wasser von ihm ab, hinein in den Abfluss der Dusche. Er greift ein blaues Handtuch, das an einem vergoldeten Haken hängt, trocknet sich ab und steckt das Handtuch in den Rucksack. Ich gehe ja nicht nackt nach Hause, denkt er, als er, völlig entblößt, auf der Terrasse vor dem gigantischen Haus steht, das an ein Raumschiff erinnert. Er geht nach oben in die zweite Etage. Dort läuft er fast direkt in den größten Kleiderschrank hinein, den seine Augen bisher erblickt haben. Jedweder Herrenausstatter wäre stolz auf diese Auswahl. In einem Schrank hängen zig Hemden, weiße, schwarze, blaue und rosafarbene in Reihen, nach Farbe sortiert. Krawatten in speziell angefertigten Schubladen, wieauch Unterhosen und Socken. Jedes Paar in seinem Holzkästchen. Schuhregale voller Schuhe, und die Anzüge sind alle von speziellen Kleiderbeuteln umhüllt.
Er ist wie das schlimmste Weib, denkt Arvydas, als er nackt in der Mitte des Zimmers vor einer Spiegelschranktür steht. Er sieht kriegerisch aus, wie er dort steht, sein Körper über und über von Tattoos bedeckt. Auf der rechten Schulter hat er drei Sterne. Jeder steht für drei Jahre im Gefängnis. Auf dem Rücken in der Mitte ist ein Kirchturm. Ein Symbol für den Aufenthalt in einem bestimmten Gefängnis. Auf dem linken Oberarm befindet sich eine rosa Lilie mit sechs Blütenblättern. Ein Bild dafür, wie viele in derselben Sache wie er angeklagt wurden. Auf der linken Bauchseite befindet sich eine Schlange, die sich um einen Dolch windet. Ein Zeichen dafür, dass er der Kopf einer Diebesbande war.
Für gewöhnliche Leute sind die Tätowierungen unverständlich. Gangster aus dem Baltikum und aus Russland können darin jedoch die Lebensgeschichte ihres Trägers lesen. Die Tattoos sind ein wichtiger Aspekt dabei, Respekt in dieser harten Welt zu erlangen. Ein Tattoo ist allerdings auffälliger als die anderen. Rechts auf seinem Hals prangt eine große schwarze Sonne. Ein Symbol für das Sonnencorps der Vilnius-Mafia, ein Zwanzig-Mann-Kommando, das Beste innerhalb der hartgesottensten Verbrecherbandendes Baltikums. Die Gang wurde von Henrikas Daktaras angeführt, dem bekanntesten Gangsterboss Litauens. Arvydas blickt auf das Spiegelbild des Tattoos und erinnert sich an die Zeit unter seiner Führung und die unzähligen Verbrechen, die er für ihn ausgeführt hat.
Er wählt ein hellblaues Armani-Hemd, einen dunkelblauen Anzug von einer D&G-Marke, die er noch nie gesehen hat, und Schuhe von derselben Sorte. Auf dem Weg nach draußen fällt sein Blick auf ein paar Uhren, die auf einem Bord liegen. Er nimmt eine davon, eine Rolex Yachtmaster II mit Goldkette und blauem Keramik-Zifferblatt. Ein irres Teil. Er steckt die Uhr in die Innentasche des Jacketts.
Er sieht aus wie der großartigste Geschäftsmann des Landes und schleicht hinaus, wie er hereingekommen war. Er summt
This monkey’s gone to heaven
von den Pixies vor sich hin und denkt an das ganze Geld, was er bald bekommen wird. Doch wie soll er nach Hause kommen? Er kann ja, wie Rockefeller gekleidet, nicht zu Fuß zurückmarschieren. Also beschließt er, ein Auto zu stehlen, mit dem er zurückfahren kann.
Arvydas hält Ausschau nach einem Wagen, den er gebrauchen könnte. Er biegt zum Granaskjól ein, findet aber kein passendes Fahrzeug. Erst als er zum KR-Stadion kommt. Dort steht ein metallic-grauer Ford Fiesta. Er angelt Gummihandschuhe aus dem vorderenFach des Rucksacks und zieht sie über. Dann
Weitere Kostenlose Bücher