Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
Sichtraum verwiesen, wo ihm schließlich das Fach ausgehändigt wird. Eine halbe Milliarde Dollar, und jetzt gehört das alles ihm allein. Er ist ein verdammtes Genie. Er hatte die Idee, und nun hat er das bekommen, was ihm zustand.
Jetzt hat er es bald geschafft. Er fühlt eine Mischung aus Freude und Furcht in sich aufsteigen, er muss sich beeilen. Steinn Þorri nimmt die Tasche mit den Diamanten aus dem Fach, öffnet sie und betrachtet den kostbaren Schatz. Er ist geblendet. Er muss sich beeilen, er kann nicht länger warten. Er steckt die Tasche in seinen Rucksack, legt den Finger zurück in die Box und stopft sie ebenfalls in den Rucksack. Seine Hände zittern, als er das Fach abschließt. Dann geht er so schnell er kann denselben Weg hinaus, den er gekommen ist. Die Wachposten würdigen ihn keines Blickes.
Steinn Þorri holt tief Luft, als er auf die Straße hinaustritt. Er geht auf die Rhône zu, die hinter der Rue du Rhône durch Genf fließt. Er setzt sich auf eine Bank am Ufer. Dort steht ein Schild, auf dem es heißt, dass der Fluss in Valais in den Schweizer Alpen entspringtund durch Genf fließt und von dort weiter nach Frankreich und in das Mittelmeer. Er muss ein Taxi finden, das ihn zu seinem Freund Jean-Claude Verlaant in Antwerpen fahren kann. Jetzt müssen diese Diamanten ihren Wert zeigen und zu Bargeld gemacht werden.
Antwerpen, Sonntag, 16. Mai 2010
Nach sieben Stunden Fahrt rollt das Taxi auf die Einfahrt von Jean-Claude Verlaants Einfamilienhaus in der Draakstraat in Zurenburg, einem der nobelsten Viertel von Antwerpen. Steinn Þorri sieht auf die Uhr. Es ist halb zehn abends. Jean-Claude kommt zur Tür, um seinen Freund aus Island zu empfangen.
»Willkommen«, sagt Jean-Claude und umarmt Steinn Þorri warmherzig.
»Sei gegrüßt, alter Meister. Wie ich sehen kann, hast du es dir richtig schön gemacht«, sagt Steinn Þorri und besieht sich das beeindruckende Steinhaus, vor dem er steht.
»Irgendwo muss man ja wohnen«, entgegnet Jean-Claude lachend.
»Das ist wahr.« Steinn Þorri muss grinsen.
»Komm rein. Du musst müde sein nach der langen Reise von Genf. Ich werde dir etwas zu trinken besorgen.Ich kann mir schon denken, was du möchtest«, sagt Jean-Claude.
Sie setzen sich in Jean-Claudes Bibliothek und machen es sich mit einem doppelten G&T im Glas gemütlich in den dicken, kognakbraunen Chesterfield-Sesseln. An den Wänden hängen Bilder von Bruce Weber, Herb Ritts und Robert Mapplethorpe. Bücher bedecken die Wände. Jean-Claude sieht Steinn Þorri ernst an.
»Und was ist also los? Du scheinst besorgt zu sein«, bemerkt er.
»Ja, ich will, dass du alle vierhundert Diamanten so schnell wie möglich für mich verkaufst.«
»Du bittest nicht um wenig. Ich brauche mindestens ein Jahr, um alle Steine loszuwerden«, erklärt ihm Jean-Claude.
»Das macht nichts. Gib mir einfach Bescheid, wenn du zwanzig Diamanten verkauft hast. Ich brauche dringend Geld«, gesteht Steinn Þorri.
»Bien sûr! Ich werde gleich morgen früh damit beginnen, den Boden für den Verkauf zu bereiten«, verspricht Jean-Claude und lächelt.
Steinn Þorri nimmt seinen Rucksack, zieht die Tasche mit den Diamanten heraus und überlässt sie Jean-Claude. Dann legt er den Rucksack neben den Sessel.
»Cheers darauf«, sagt Steinn Þorri und hebt das Glas.
»Cheers«, sagt Jean-Claude und lässt sein Glas an Steinn Þorris erklingen.
»Wo wirst du übernachten?«, fragt Jean-Claude.
»Das weiß ich noch nicht. Ich habe einen Flug morgen Vormittag um zehn vor acht mit Air France nach London. Von dort geht’s mit Icelandair nach Hause.«
»Du übernachtest natürlich bei mir. Ich rufe dir morgen früh ein Taxi zum Flughafen«, lädt Jean-Claude ihn ein.
»Ich danke dir, mein Lieber«, sagt Steinn Þorri.
Als er später in dem riesengroßen Bett in einem der Gästezimmer liegt und es sich gutgehen lässt, sitzt Jean-Claude in der unteren Etage und telefoniert.
»Er ist da, mit den Nerven völlig am Ende, und hat mir die Diamanten schon gegeben.«
»Ich komme zu dir«, ist die knappe Antwort am anderen Ende. »Bin in zwei Stunden da.«
Antwerpen, Montag, 17. Mai 2010
Auf dem Flughafen von Antwerpen fällt Steinn Þorri mit Schrecken ein, dass er immer noch Reynirs Daumen im Gepäck hat. Er öffnet den Rucksack, holt die Box heraus und wirft sie in den erstbesten Mülleimer. Gut, dieses eklige Ding endlich los zu sein, denkt er erleichtert.
20
Reykjavík, Freitag, 28. Mai
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