Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
Vom Netzwerk:
zynisches Lachen vom Stapel, aber sein sonderbarer Blick brachte mich zum Schweigen. »Hey, das ist nicht dein Ernst. Ich muss nicht in den Krieg ziehen, oder?«
    »Nicht gerade in einen Krieg.« Ich glaube, er versuchte mich zu beruhigen, doch das klappte nicht. »Aber du musst lernen, dich zur Wehr zu setzen. Im Nahkampf. In anderen Techniken.«
    »Ich soll kämpfen?« Das Blut war mir aus den Wangen gewichen, und ich spürte ein kaltes Kribbeln auf der Kopfhaut. Ich hatte schon oft genug im Leben Prügel bezogen – und gehofft, dass dieser Abschnitt endgültig hinter mir lag. »Das kann ich nicht.«
    »Wir bilden dich aus.«
    Ich nahm die schwarze Strickmütze ab und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. »Im Kampf gegen die anderen Mädels? Hieß es nicht, wir sollten zu Gesandten ausgebildet werden?«
    »Das werdet ihr eines Tages sein – und sehr viel mehr. Aber du musst jederzeit auf das Schlimmste gefasst sein.«
    Ich ballte die Hände zu Fäusten, als eine vertraute Angst in mir hochstieg und wie eine Woge über mich hinwegschwappte. Auf das Schlimmste gefasst sein kam meiner Kindheit verdammt nahe. »Mit Schwimmen? Kampfsport? Von diesen Dingen verstehe ich nichts. Damit kann ich definitiv nicht gegen die anderen Mädels antreten.«
    Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Du kannst und wirst sie besiegen.«
    Die Berührung war leicht und nur kurz, aber sie verscheuchte die Hysterie, die mich zu überwältigen drohte. Ich beruhigte mich ein wenig und sah, dass ich unbeabsichtigt meinen Stundenplan zerknüllt hatte.
    Und dann blockierte mein Körper. Mit einem Ruck schüttelte ich seine Hand ab. Ich traute weder ihm noch seiner unheimlichen Magie. »Rühr mich nicht an!«
    Einen Moment lang wirkte er echt verwirrt. Er schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. Dann sagte er: »Du musst lernen, mir zu vertrauen.«
    Wir näherten uns den im Quadrat angeordneten Gebäuden, und Ronan verlangsamte seine Schritte. »Nicht alles auf dieser Insel ist graue Theorie. Kampfstrategien, Fitness – auch diese Elemente tragen zum Erfolg bei. Das System hier wurde eigens entwickelt, um Mädchen wie dich auszubilden. Vertrau mir wenigstens in diesem Punkt. Du schaffst das.«
    Ich setzte die Mütze wieder auf, vermutlich ein wenig schief, aber das war mir im Moment egal. »Dir vertrauen? Du warst es doch, der mir diesen Mist eingebrockt hat!«
    Er blieb mitten auf dem Weg stehen und sah mich nachdenklich an. »Annelise, du wirst staunen, wie sehr dir der Unterricht gefällt – vom Schwimmen mal abgesehen.«
    Ich runzelte die Stirn und rief mir die Szene im Speisesaal ins Gedächtnis. Meine Artgenossinnen hatten beim Anblick der jungen Männer unverzüglich mit dem Wettrüsten begonnen. »In unseren Vorlesungen sind also auch Jungs?« Für mich gehörten die Typen allesamt in die Kategorie der gehirnamputierten Muskelhelden, und ich fragte mich natürlich, ob sie echt so beschränkt waren, wie sie aussahen.
    »Nur in Anstandslehre und Phänomenologie. In Sport und Kampftechniken haben sie ein anderes Programm als ihr.«
    »Jede Wette.« Es erschien logisch, dass für das Anschleichen und Überwältigen potenzieller Opfer Fertigkeiten gefragt waren, die wir Mädels nicht benötigten.
    Ich fröstelte. Wussten die Vampir-Azubis, was sie erwartete? Wie fanden sie diese total fertige Insel?
    Obwohl ich ihnen diese Fragen natürlich selbst stellen konnte. Meine erste Vorlesung war Phänomenologie, nach Ronans Auskunft ein gemischter Kurs. »Was lernt man überhaupt in Phänomenologie?«
    »Das wirst du gleich erfahren. Wir sind da.« Ronan deutete mit dem Kinn auf einen gedrungenen zweistöckigen Ziegelbau, wie man ihn auf jedem Campus im Nordosten der USA finden konnte.
    »Dein zweiter Kurs heute ist Fitness.« Er zeigte nach hinten. Neben dem Fußweg, auf dem wir eben hierhergekommen waren, erhob sich ein Gebäude mit einem gewölbten Wellblechdach, wie es typisch für die Turnhallen der 70er Jahre war. »Er findet dreimal die Woche nach der Mittagspause statt, immer um Punkt zwei. An den Tagen dazwischen hast du Kampftechniken, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort.«
    Ich hasste jede Art von Fitness-Training, und nun sollte ich meinen Körper fünfmal die Woche stählen? Ich wandte mich instinktiv von der Turnhalle ab. Eine Panikattacke pro Tag reichte.
    Als ich Ronan zum Abschied stumm zunickte, hoffte ich inständig, dass er meinen wortlosen Gruß als obercool deutete und nicht etwa als Hinweis auf die Tatsache, dass

Weitere Kostenlose Bücher