Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
begehren. Auf irgendeine Weise.
17. KAPITEL
D as Allermerkwürdigste geschah. Deborah begann sich tatsächlich in der kleinen geschäftigen Siedlung nützlich zu machen. Es erstaunte sie beinahe mehr als die anderen, dass sie gelernt hatte, Forellen zu putzen und in Kisten zu lagern, ein Baby in den Schlaf zu wiegen oder Brotteig zu kneten. Besonders bewährte sie sich beim Ausfüllen von Formularen und Bearbeiten von Rechnungen für die Fischer oder den Vorarbeiter der Holzfäller.
Sie war in dem Glauben aufgewachsen, dass sie nie in ihrem Leben irgendeine vernünftige Arbeit verrichten würde. Das war ihr auch nicht seltsam vorgekommen, nicht im Mindesten. Die Dinge waren einfach so, wie sie waren. Niemand, nicht ihr Vater und auch nicht ihre Lehrerinnen, ihr Tanzlehrer, ihr Sekretär oder sonst wer in der Schule von Miss Boylan hatte ihr je etwas anderes gesagt. Aber ihr Aufenthalt auf der Insel hier stellte alles infrage, was sie früher geglaubt hatte. Hier arbeitete eine Frau genauso hart wie ein Mann – oder manchmal sogar noch härter. Hier dachte eine Frau für sich selbst, traf ihre eigenen Entscheidungen und fand schließlich in dem, was sie tat, ihren Selbstwert und ihre Erfüllung.
Deborah empfand die Arbeit als tröstlich und wünschte sich, die Beziehung zu den Inselbewohnern zu vertiefen. Von Mabel Smith lernte sie Stricken und Häkeln und fertigte im Gegenzug für Mabel und ihre Tochter Betsy modische Hüte an. Anna zeigte ihr, auf wie viele verschiedene Weisen man Fisch zubereiten konnte, darunter Räuchern über offenem Feuer oder auf einem Birkenbrett braten. Die Kinder der Siedlung brachten ihr Spiele bei, die sie in albernes Kichern ausbrechen ließen.
Sie begann sich an den Lebensrhythmus auf der Insel zu gewöhnen. Jeden Tag wachte sie von dem Hahnenschrei auf, der die Männer in der Dunkelheit des beginnenden Morgens aufstehen hieß, um auf den See hinauszufahren. Sie gewöhnte sich an den Geruch von Holzfeuer und frisch gebackenem Brot, während Frühstück gemacht wurde. Sie lernte die verschiedenen Geräusche voneinander zu unterscheiden, die die Tage auf der Insel begleiteten. Das Lachen der Kinder, die sich beim Spiel gegenseitig zu Unfug anstifteten. Manche der Männer pfiffen, während sie zu den Booten gingen, um ihre Arbeit auf dem Wasser zu beginnen. Manche von den Frauen sangen, während sie an Land Netze flickten oder Korkschwimmer einölten. Auch wenn sich Deborah noch immer als Außenseiterin fühlte, so war sie doch Teil dieser Gemeinschaft geworden.
An dem Abend, an dem Lightning Jack vom Festland zurückkehrte, gab es ein Fest um ein Lagerfeuer. Er thronte wie ein König vor seinen Untertanen, rauchte Pfeife und erzählte genüsslich die neuesten Nachrichten und Gerüchte. Er berichtete, dass in Rock Harbor beinahe jemand ertrunken wäre, und von einer Bande umherziehender hungriger Bären, die an einem der Seen im Inselinneren gesehen worden waren.
Deborah beobachtete ihn von ihrem Platz auf einer einfachen Holzbank aus, auf der sie mit angezogenen Knien saß. Die Gesichter der Kinder waren in die Farben des Feuers getaucht, und ihre Augen leuchteten wie die Sterne am Himmel. Wie wunderbar es sein muss, hier aufzuwachsen, überlegte sie, ganz natürlich und frei, zwar mit harter Arbeit, aber umgeben von Menschen, denen etwas aneinander lag, die aufeinander achteten.
Als Lightning Jack schließlich verstummte, bettelten die Kinder um eine weitere Geschichte, aber er winkte übertrieben erschöpft ab. „Heute habe ich keine Wörter mehr in mir“, schwor er. „Nicht ein einziges.“
„Was ist mit der Geschichte von Charlie und Angelique Mott, eh?“, schlug Jens erbarmungslos vor.
„Charlie Mott“, riefen die Kinder begeistert, obwohl sie die Geschichte sicher schon zuvor gehört hatten, denn sogar Deborah kannte sie bereits. „Charlie Mott!“
Vor dreißig Jahren war das junge Ehepaar Mott ausgeschickt worden, den Winter über auf eine Kupfermine auf der Insel aufzupassen. Ihr Auftraggeber jedoch hatte es versäumt, ihnen die Vorräte zu schicken, die er ihnen eigentlich versprochen hatte, sodass Charlie und Angelique der brutalen Kälte und der Einsamkeit des Winters ohne Nahrung ausgeliefert gewesen waren. Charlie verhungerte schließlich, nachdem er bis auf Haut und Knochen abgemagert war, obwohl Angelique versucht hatte, ihn mit Rindentee und Schuhleder am Leben zu halten. Da sie ihn in dem gefrorenen Boden nicht beerdigen konnte, es aber auch nicht
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