Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Haut aufgeritzt hatte, nein, es tat ihr einfach alles weh. Sie fühlte sich wie betäubt, ein Zustand, der sie daran erinnerte, wie ihr nach dem großen Brand zumute gewesen war.
Irgendwann hatte sie angefangen, von der arbeitenden Klasse als geistig nicht sonderlich helle Menschen zu denken, die nur zu körperlicher Arbeit zu gebrauchen waren. Jetzt wusste sie, wie dumm sie gewesen war. Schwere körperliche Arbeit war eine besondere Herausforderung – auf die sie bedauerlich schlecht vorbereitet war.
Dennoch verspürte sie eine stille Befriedigung, während sie vom Fischhaus unten am See den Berg hinauf zurück zum Laden ging. Niemand hatte gedacht, dass sie sich überwinden würde. Niemand hatte geglaubt, Arthur Sinclairs verwöhnte Tochter sei zu irgendetwas anderem in der Lage, als dazusitzen und sich mit einem Fächer Luft zuzuwedeln und einen raffinierten Hut herzustellen, den eine feine Dame zu einer Gesellschaft am Sonntag tragen konnte. Sie hatte ihnen allen gezeigt, wie sehr sie sich geirrt hatten.
Und so betrat sie mit Schuhen, unter deren Sohlen schmierige Reste von Fischinnereien klebten, wippenden Locken, die unter dem Tuch hervorgerutscht waren, und einem trotzigen Gesichtsausdruck das Haus hinter dem Laden. Smokey begrüßte sie mit einem Wimmern.
„Ich wäre dankbar, wenn Sie die Stiefel draußen lassen könnten“, sagte Tom Silver, ohne von seinen Rechnungsbüchern aufzusehen. „Sie stinken.“
Deborah entgegnete darauf nichts, drehte sich aber zur Tür um.
„Und achten Sie darauf, sie auf die Leine zu hängen“, rief er ihr nach. „Sonst locken sie am Ende noch Ungeziefer an.“
Sie seufzte, während sie die Arbeitsstiefel auszog. So schmutzig waren sie nun auch wieder nicht, denn Jens hatte einen Eimer Wasser darüber gekippt, bevor sie das Fischhaus verlassen hatte. Während sie die Stiefel an der Leine festband, betrachtete sie Tom Silver stirnrunzelnd durch die Tür mit dem feinen Gitternetz. Sie hatte heute Abend nicht mit einem besonders herzlichen Willkommen gerechnet, aber ein wenig Höflichkeit wäre wirklich nicht zu viel verlangt gewesen.
Während er sich mit seiner Buchhaltung beschäftigte, trug er Brillengläser mit dünnem Goldrand. Faszinierend.
Sie kam wieder ins Haus, fand ihn immer noch in seine Arbeit versunken. Sie warf ihm immer wieder verstohlene Blicke zu, fühlte sich von seinem unerwartet gelehrten Aussehen angezogen. Die Annahme ihres Vaters, Silver habe sie kompromittiert, war absurd. Er hatte sie nie gemocht; er hielt sie für ein blondes Dummchen, das auf sich allein gestellt zu nichts imstande war. Und jetzt war sie noch nicht einmal ein Lösegeld wert.
Mit leiser, leicht abgelenkter Stimme erkundigte er sich: „Wann gibt es Essen?“
„Verzeihung?“, erwiderte sie, sicher, dass sie sich verhört hatte.
„Wann gibt es Essen?“, wiederholte er.
Sie war zu verblüfft, um verärgert zu sein. Mit größter Ruhe und Geduld antwortete sie: „Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht. Sie scheinen zu glauben, ich würde heute Abend das Essen zubereiten.“
„Sie behaupten doch, Sie könnten sich hier auf der Insel einleben, hier leben und arbeiten wie alle anderen auch.“
Sie breitete die Arme aus. „Ich glaube, ich habe heute bewiesen, wozu ich fähig bin.“
Er schob seine Ärmel zurück und stützte die muskulösen Unterarme auf den Schreibtisch. „Ich will nicht leugnen, dass Sie heute verdammt hart in dem Fischhaus gearbeitet haben“, räumte er ein. „Aber was lässt Sie glauben, dass die Arbeit zu Ende sei, wenn die letzte Kiste mit Fisch zugenagelt und in Eis gelagert ist?“
„Weil wir fertig sind, das ist der Grund.“
„Meinen Sie wirklich, Alice und Anna sitzen jetzt zu Hause, nippen Sherry und essen Bonbons? Für Sie mag das hier ein Spiel sein, aber für sie ist es das nicht.“
„Ah“, sagte sie. „Jetzt verstehe ich. Meine Freundin Lucy hat versucht, mich vor Männern wie Ihnen zu warnen. Ich hätte auf sie hören sollen.“
„Männer wie ich?“
„Männer, die der Überzeugung sind, Sie seien uns Frauen überlegen, einfach wegen ihres … Geschlechts. Die Frauen zu Sklaven machen und zwingen, ihnen zu gehorchen.“
„Meine Liebe, ich muss Sie nicht zwingen, irgendetwas zu tun. Das erledigen Sie gut genug ohne fremde Hilfe.“
„Was soll das jetzt wieder heißen?“
„Sie selbst treiben sich wie verrückt an. Niemand hat gesagt, Sie müssten mir irgendetwas beweisen oder den Leuten auf dieser Insel. Und glauben
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