Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
wollte schließlich nur über den Hof zum Laden gehen, aber das Problem bestand darin, dass sie, wenn sie jetzt aus dem Fenster schaute, noch nicht einmal das Ende der Veranda erkennen konnte, so stark schneite es mittlerweile.
Sie senkte den Kopf und wagte sich nach draußen. Der Sturm verwehte ihre Fußabdrücke, sobald sie einen Fuß hob, und nach wenigen Augenblicken konnte sie das Haus nicht mehr sehen. Blind vor Kälte und Angst tastete sie sich ihren Weg zurück, betete, dass sie sich nicht schon verirrt hatte. Als sie mit dem Schienbein gegen die kleine Treppe der Veranda stieß, hätte sie beinahe vor Erleichterung geweint.
Aber statt in Tränen auszubrechen, kehrte sie zurück ins Haus und lief auf und ab, überlegte fieberhaft, wie sie die Strecke zurücklegen könnte, ohne sich rettungslos zu verlaufen. Schließlich fand sie ein Knäuel Schnur und band das eine Ende an die Türklinke. Indem sie die Schnur nicht losließ, würde sie das Haus wieder erreichen, selbst wenn der Schnee ihr die Sicht nahm.
Sie holte tief Luft, wie ein Taucher, bevor er ins Wasser sprang, und öffnete erneut die Tür. Es fühlte sich an, als ob der eisige Wind sie zu schneiden versuchte; das Atmen fiel ihr schwer. Der wirbelnde Schnee drohte sie wieder zurückzutreiben. Sie sehnte sich danach, sich zurückzuziehen, sich vor dem Feuer zu einem Ball zusammenzurollen und zu hoffen, dass der Sturm vorüberging, bevor sie verhungert war, aber da, in diesem Augenblicken geschah etwas Besonderes mit Deborah Beaton Sinclair. In ihr reifte der Entschluss zu überleben, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Wieder holte sie tief Luft, auch wenn die so arktisch kalt war, dass es sie in der Lunge schmerzte, und kämpfte gegen den Sturm, senkte den Kopf und stemmte sich gegen den brausenden Wind. Als sie zehn Schritte gegangen war, konnte sie nicht länger ihre Füße spüren. Zehn Schritte weiter, und ihre Finger, ihr Kinn und ihre Nase schienen verschwunden zu sein. Schluchzer stiegen aus ihrer Kehle auf, und die Kälte brannte ihr in den Augen.
Mit dem Schienbein stieß sie gegen etwas und stellte fest, dass sie die Stufen auf der Rückseite des Ladens erreicht hatte. Ungeduldig suchte sie die Tür und fand sie schließlich.
Sie war mit einem eisernen Schließband versperrt.
„Nein“, schrie Deborah und trommelte mit den Fäusten gegen die dicken Holzplanken. „Um Himmels willen, nein!“
Verzweiflung half jetzt nichts.
Die Axt. Hol dir die Axt. Wieder zurück über den Hof zu dem Holzverschlag am Haus, dabei immer die Schnur abrollend. Sie entdeckte die Axt mit dem langen Stiel an der Wand und nahm sie. Sie fühlte sich schwerer an, als sie aussah. Zwar hatte Deborah keine Ahnung, wie sie sie benutzen sollte, war aber wild entschlossen, nicht aufzugeben. Sie watete durch den Schnee – er lag nun mehr als kniehoch – und hätte fast den Weg nicht gefunden, gelangte aber schließlich doch wieder zur Tür des Ladens. Sie hob die Axt und schlug dagegen.
Der Aufprall hallte in ihren Armen nach, zeigte aber sonst keine Wirkung auf das alte Holz der Tür. Mit dem nächsten Hieb drang die Klinge ins Holz, aber nicht tief genug, um Schaden anzurichten.
Deborah biss die Zähne zusammen und schlug noch einmal zu. Dieses Mal sank die Axt in das Holz, aber als sie sie herauszog, löste sich nur ein schmaler Holzstreifen.
„Ich werde sterben, wenn ich noch viel länger hier draußen bleibe“, sagte sie finster. Der Gedanke machte sie eher wütend als ängstlich. Sie holte aus und hieb die Axt mit aller Macht – auf das Schloss, nicht die Tür selbst. Das gefrorene Eisen zerbrach und das Schloss hing schief.
Tränen der Erleichterung liefen Deborah über die Wangen. Sie bahnte sich ihren Weg in das dämmerige eisige Innere des Ladens und raffte alles Essbare, das sie entdecken konnte, zusammen, steckte Gläser mit Ahornsirup und Apfelsoße, eingemachte Beeren, Fleischkonserven und Kaffeebohnen in einen Leinensack, der auf dem Tresen lag. Dann schwang sie ihn sich über die Schultern und machte sich auf den Rückweg in die Hütte.
Alles war weiß. Grelles blendendes Weiß. Sie konnte nichts erkennen. Wenn sie nur einen falschen Schritt machte, würde sie sich hoffnungslos verirren und erfrieren, nur ein kleines Stück vom Haus entfernt. Vorsichtig zog sie an der Schnur in ihrer Tasche. Das andere Ende schien noch an die Türklinke gebunden zu sein. Sie stolperte über den Hof, hangelte sich an der Schnur vorwärts, geriet immer
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