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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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holte sie einen Stapel Holzscheite aus dem Verschlag auf der Rückseite des Hauses. Sie hatte keine Ahnung, ob die Menge für die Nacht genügen würde, aber sie hoffte es inständig. Der pfeifende Wind trieb sie ins Haus zurück, und sie stellte sich vor, dass er ein Ungeheuer sei, das ihr auf den Fersen war, vor ihrer Tür bellte und durch die Ritzen in der Wand fauchte, durch die Bodendielen brüllte.
    Schluss mit solchen Fantastereien, ermahnte sie sich streng. Sie hatte noch genug Arbeit zu tun.
    Sie stapelte das Holz in dem Korb neben dem Ofen. Nach der ganzen Anstrengung war ihr überraschend warm, aber gleichzeitig war sie auch völlig ausgehungert. Die Vorratskammer bot praktisch nichts. Tom Silver hatte die restlichen Lebensmittel auf das Festland mitgenommen oder sie in Fässern in dem Keller unter dem Laden gelagert. Essen im Haus zu lassen, hatte er ihr erklärt, lud nur Bären und andere Tiere ein. Sie entdeckte ein kleines Salzfässchen und eine Dose Maisgrieß. Ihr Abendessen bestand aus drei Löffeln Maisgrieß, den sie in geschmolzenem Schnee kochte. Die praktisch geschmacklose zähe Masse schien in ihrem Mund weiter zu quellen, aber Deborah überwand sich schließlich, den Happen zu schlucken. Morgen würde sie in den Laden gehen und sich etwas Schmackhafteres besorgen.
    Dann begann sie, sich ihr Bett für die Nacht zu machen. Da keine Notwendigkeit bestand, auf Schicklichkeit Rücksicht zu nehmen, zog sie die Matratze zum Ofen und legte mehrere raue Wolldecken darauf. Ihr feuchter Rock, die Strümpfe und Schuhe dampften leicht, als sie sie zum Trocknen über eine Stuhllehne hängte. Es kam ihr so vor, als wäre es bereits Tage her, dass sie in den Bach gefallen war und nicht erst wenige Stunden.
    Deborah Beaton Sinclair hatte gewöhnlich eine oder zwei Zofen, die ihr bei ihrer abendlichen Toilette zur Hand gingen. Sie halfen ihr fast ehrfürchtig, ihre Kleider abzulegen, bewunderten dabei die Vollkommenheit der französischen Mode, die sie trug. Sie brachten ihr ein weißes Baumwollnachthemd, das so fein gewebt war, dass es sich weich wie Wasser auf ihrer Haut anfühlte. Sie bürsteten ihr das Haar, bis es glänzte, reichten ihr eine Tasse Kamillentee, der mit Honig gesüßt war, und erkundigten sich, ob sie noch irgendetwas benötige, bevor sie sich für die Nacht zurückzögen.
    Sie lachte laut auf, als sie an die Deborah dachte, die eine solche Behandlung als selbstverständlich und ihr zustehend hingenommen hatte. Dieses oberflächliche unkomplizierte Mädchen gab es nicht mehr. Jetzt beschränkten sich ihre Bedürfnisse auf die Notwendigkeit, ihren Magen zu füllen und zu verhindern, dass sie erfror. Und erstaunlicherweise gab es nur ein einziges menschliches Wesen, dass diese Bedürfnisse erfüllen konnte: sie selbst.
    Während sie sich vor dem Feuer unter den Berg Decken kuschelte, musste sie wieder daran denken, wie allein sie war. Wirklich und wahrhaftig allein, zum ersten Mal in ihrem Leben.
    Sie sah zu der eisernen Ofentür, beobachtete durch die Schlitze, wie die Flammen tanzten, und betete, dass sie rechtzeitig aufwachte, um Holz nachzulegen. Und dann als das Wüten des Blizzards draußen anschwoll, schloss sie die Augen und spürte, wie sie in einen rastlosen Schlummer fiel.
    Sie träumte von einem großen brauen Bären. Die riesige Kreatur hatte winzige schwarze Augen und ein rotes hungrig aufgerissenes Maul. Das Ungetüm richtete sich auf die Hinterbeine auf und kam auf sie zu, sperrte das Maul weiter auf, um zu brüllen. Aber statt eines tierischen Lautes erklang ein schrecklicher Tenor, der Mozart sang.
    Das Tier kam näher, und sie nahm die ranzige Hitze seines Körpers wahr, und den Gestank, der von ihm ausging.
    Ein Gewehrschuss.
    Deborah fuhr aus dem Schlaf auf, ihr Herz klopfte wild, und sie war am ganzen Körper schweißnass.
    Schützend hielt sie die Decken vor ihre Brust und kauerte sich auf ihrem Bett zusammen. Nur war es kein Bett, sondern das Lager, das sie sich bereitet hatte. Und es war auch kein Gewehrschuss gewesen, sondern ein Holzscheit, der im Feuer knackte.
    Langsam und unaufhaltsam traten die Ereignisse des Tages in ihr Bewusstsein. Sie befand sich in der Mitte von Nirgendwo. Sie war in irgendeinem Reich abseits der restlichen Welt eingefroren, ein treibendes Eiskönigreich, wo niemand sie finden würde. So saß sie vor dem einzigen Feuer, das sie je selbst gemacht hatte, und zog die Knie an, verlor sich in dem Spiel der Flammen. Es war ein Traum gewesen. Und

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