Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
gewisse Arroganz aus. Sie hoffte, er würde sie um Verzeihung bitten, ihre Hand an seine Lippen heben … und alles wäre wieder in Ordnung gewesen.
Aber er hatte keinerlei Reue gezeigt, und Deborah hatte nie ganz erfassen können, was ihr da zugestoßen war. Dieser gewaltsame Akt war gänzlich ohne Sinn gewesen. Übrig geblieben waren nur Scham und Erniedrigung und das Aufzucken von hilfloser Wut. Sie wusste nicht, ob diese Gefühle je weggehen würden.
Sie hatte die Oper immer geliebt. Und jetzt reichte der bloße Gedanke daran, eine einzelne Note einer Arie oder eines Chores zu hören, dass sie sich vor Grauen wand. Alles nur wegen Philip. Er hatte ihr die Angst beschert, irgendeinen Mann zu berühren, selbst einen bewusstlosen Mann, der halb erfroren war. Philip hatte sie auf eine Weise verletzt, nein beschädigt , die sie erst allmählich zu verstehen begann.
Bei dieser Erkenntnis überlief sie ein Schauer, und Schweiß bildete sich zwischen ihren Brüsten. Nein.
Sie zwang sich, ruhig durchzuatmen. Es war vorbei. Sie war an einen Ort gegangen – wenn auch gegen ihren Willen – an den Philip Ascot ihr nie folgen würde, selbst wenn er es wollte.
Aber lieber Gott, wie sollte sie all das Tom Silver erklären?
Schwanger. Gütiger Himmel, was, wenn sie es wäre?
Ihr Verstand schwamm vor vergifteten Erinnerungen, aber sie öffnete die Augen und schaute Tom Silver an. In seiner Gegenwart fühlte sie sich erstaunlich sicher. Er saß da wie ein Fels, aber nicht als Richter, sondern – auch wenn ihm offenbar diese Rolle nicht behagte – als Beichtvater oder Ratgeber. Sie wusste, dass sie ihm die Wahrheit erzählen konnte. Er hatte ihr gesagt, sie solle einfach zu reden anfangen.
Also holte sie tief Luft und begann.
27. KAPITEL
T om wartete geduldig, dass sie zu sprechen begann. Er vermied es, sich zu bewegen, denn er spürte, sie würde wie ein aufgescheuchtes Kaninchen davonrennen, wenn er sie noch weiter drängte.
Und dann, so schmerzlich langsam wie ein verwundeter Soldat, wandte Deborah den Kopf und schaute aus dem Fenster. Die Worte kamen nur stockend, als müsste sie sie erst aus entlegenen Stellen tief in ihr hervorholen. „An dem Abend vor dem Feuer“, fing sie an, „bin ich in die Oper gegangen mit meinem Verlo… mit Philip Ascot. Wir haben uns die Aufführung aus Vaters Privatloge im Opernhaus angesehen.“ Sie verschränkte krampfhaft die Finger.
Tom wusste nicht viel über Opern – irgendwas wie Theater und jeder Menge Gesang und Geträller. Prächtige Kostüme und gespielte Degenkämpfe, ein Zeitvertreib, für den Stadtleute gerne Geld bezahlten, um sich zu vergnügen und sich dafür fein herauszuputzen. Er konnte sich mühelos Deborah Sinclair vorstellen, wie sie wie eine Märchenprinzessin von einem feinen Pinkel in einem eleganten Anzug dorthin begleitet wurde.
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, schwieg er, um sie nicht unter Druck zu setzen. Sie würde ihr Geständnis machen, wenn sie dazu bereit war, auf ihre eigene Weise. Ein Gefühl und der Tränenstrom, der der Unterhaltung vorausgegangen war, überzeugten ihn, ihr alle Zeit der Welt zu lassen.
„Es war eine Mozart-Oper, Don Giovanni , die Geschichte eines unmoralischen Mannes, der seinen Charme und sein gutes Aussehen benutzt, Frauen zu verführen.“
Sie redete um das Ereignis herum, umschrieb vorsichtig die Szene dessen, was sie vermutlich als unaussprechlichen Akt betrachtete. Er wollte sie unterbrechen, sie beruhigen und ihr sagen, dass es völlig natürlich war, wenn ein Mann und eine Frau zu ungeduldig waren, auf die Hochzeit und die Genüsse zu warten, die ihre Liebe und ihren Bund besiegelte. Aber er blieb stumm, versuchte, das Ungesagte zu begreifen.
„Unsere Hochzeit war bis ins letzte Detail geplant“, erklärte sie, schaute ihn nicht an, während sie redete. Sie starrte aus dem Fenster, aber er wusste, sie nahm die weiße Schneefläche draußen gar nicht wahr. „Ich vermute, das war der Grund, weswegen ich … wir …“ Sie biss sich auf die Unterlippe, brach ab.
Er fragte sich, wie es sich abgespielt hatte. Hatte sie ihren hübschen jungen Verlobten angesehen und war überwältigt worden von der Fleischeslust? Hatte er sie mit Champagner und Komplimenten umworben?
Tom biss die Zähne zusammen, hasste den Umstand, dass er nie so ein Mann für sie sein würde. Himmel, sie schämte sich wahrscheinlich dafür, dass sie sinnliches Verlangen nach einem Mann verspüren konnte. Oder vielleicht
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