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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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hatte es sich auch herausgestellt, dass das, was sie gewollt hatte, und das, was sie dann erlebt hatte, zwei völlig verschiedene Dinge waren.
    „Während der Oper … floh Zerlina von der Bühne, um Don Giovanni zu entkommen. Das war der Punkt, als Philip mich bat, mit ihm … in das Separee zu gehen. Jede private Loge hat ein angrenzendes Separee, in das sich die Herren zurückziehen, um zu rauchen, oder die Damen, um sich zu unterhalten. An jenem Abend waren Philip und ich allein. Seine Schwester hatte eigentlich als Anstandsdame mitkommen sollen, aber sie wurde im letzten Augenblick krank. Jetzt glaube ich, dass er sie gebeten hat, abzusagen, damit wir ungestört sein konnten. Er hat sich sehr verliebt benommen, an dem Abend. Ich … ich kann mir nicht erklären, warum.“
    Tom verkniff sich ein ungläubiges Schnauben. Warum wohl? Zunächst einmal hatte sie ein Gesicht und einen Körper, der in jedem Mann den Wunsch weckte, die Sünde neu zu entdecken. Aber sie hatte auch einen zerbrechlichen, leicht melancholischen Ausdruck in den großen Augen, der in einem Mann den Wunsch weckte, sie in die Arme zu schließen. Oder vielleicht lag ihr Reiz auch an dem schimmernden Wasserfall ihrer blonden Haare, der sie wie ein Weihnachtsengel aussehen ließ. Oder es war ihr ruhiges sanftes Wesen, das er so viel anziehender fand als die schrille Fröhlichkeit der Frauen in den Ortschaften und Städten, durch die er bei seinen Reisen kam. Oder es war die Kombination aus Verachtung und Verletzlichkeit, mit der sie ihm gegenüber auftrat, die ihn sich fragen ließ, wie es in ihrem Herzen aussah. Oder – Tom unterbrach sich. Er ertappte sich immer häufiger dabei, auf eine Art und Weise an Deborah Sinclair zu denken, die nicht gut war.
    „Er ist ein Mann“, sagte er. „Selbst die schwachen benehmen sich ab und zu … verliebt, vor allem bei einer Frau wie Ihnen.“
    Sie wurde blasser, und er befürchtete, genau das Falsche gesagt zu haben, konnte aber nicht benennen, was es gewesen sein mochte.
    „Und ich vermute“, fuhr er fort, und hoffte, jetzt die passenden Worte zu finden. „Sie haben ebenso empfunden.“
    Sie schluckte schwer. „Ich glaube, wenn ich zurückdenke, dass Philip das wohl annahm. Und wie Sie hat er sich getäuscht.
    Tom spürte einen leisen Stich der Missbilligung. Ihm gefiel die Idee nicht, dass er irgendetwas mit diesem Ascot-Kerl gemein hatte. Und ihm gefiel es auch nicht, dass Deborah ihm immer noch ein Rätsel war, obwohl er jetzt Wochen in ihrer Gesellschaft verbracht hatte. Sie war wie die geheimnisvollen Eisschollen, die mitten im tiefsten Winter vom Wind über den See geweht wurden. Sie hatte eine schöne helle Oberfläche, die er sehen und berühren konnte, aber er hatte keine Ahnung, was darunterlag.
    „Also war ihm verliebt zumute, Ihnen aber nicht“, fasste er zusammen. Jetzt wurde das Bild allmählich schärfer, und alles begann einen Sinn zu ergeben. In einer solchen Situation ging es meistens nach dem Willen des Mannes. Wenigstens Toms Erfahrung nach. Ein Mann kannte eine Reihe von Möglichkeiten, eine zögernde Frau davon zu überzeugen, dass er ihr Vergnügen bereiten könne, wenn sie einfach ihre Vorbehalte vergaß und sich verwöhnen ließ. Er war nicht stolz darauf, schöne Worte und seine Erfahrung eingesetzt zu haben, um seinen Willen zu bekommen, aber er war sich dafür wie die meisten anderen Männer auch oft genug nicht zu schade gewesen.
    „Richtig“, sagte sie, und er spürte wieder, dass sie ihm entglitt in die Schatten verhangenen Erinnerungen an jene Nacht. „Er … ähm, hat mich gehalten und geküsst. Durch die Vorhänge des Separees habe ich die Stimme des Soprans gehört, die höher und höher stieg; da war eine Note so hell und durchdringend, dass ich dachte, das könnte ich selbst sein, mein Schrei.“ Sie wandte den Blick vom Fenster ab und richtete ihn auf ihre verkrampften Hände. „Aber ich habe natürlich nicht geschrien. Das wäre töricht gewesen. Und auch unhöflich. Ich bin nie unhöflich gewesen, und die Nacht bildete keine Ausnahme. So lag ich einfach … da. Während er … Philip … mich stieß und bedrängte … und mich …“ Sie verstummte, und ihr Gesicht war dunkelrot angelaufen. „Es gibt vermutlich ein Wort dafür, aber ich kenne es nicht.“
    Toms Einschätzung der Ereignisse änderte sich jäh und grundlegend. Ihm wurde übel, als er begriff, dass Ascot seine Braut nicht einfach nur verführt hatte. Er hatte sich ihr aufgezwungen. Tom

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