Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Gerichten.
Am frühen Nachmittag, während sie damit beschäftigt war, saubere Kleidungsstücke zusammenzulegen und die Betten zu machen, kam Tom von draußen herein, brachte den Geruch von Schnee und Kiefernharz mit. Von ihrem Zimmer aus konnte sie hören, wie er sich den Schnee von den Stiefeln klopfte. Der Hund drängelte sich an ihm vorbei und lief zu seiner Schüssel.
„Hier riecht es aber sehr gut“, rief Tom.
„Ihr Essen. Es ist in ein paar Minuten fertig.“ Sie steckte die Ecke der Decke unter die Matratze und strich den Stoff glatt. Es war schwer zu glauben, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der sie nicht gewusst hatte, wie man ein Bett machte.
Belustigt von dem Gedanken trat sie in den Wohnraum – und blieb jäh mit offenem Mund stehen. In der Mitte des Zimmers stand ein kleiner Tannenbaum. Kerzen in kleinen Glasdeckeln zierten die Zweige, und die Flammen tauchten das Zimmer in einen magischen Schimmer.
„Frohe Weihnachten“, sagte Tom brummig.
Einen Moment lang war sie sprachlos. Dann spürte sie, wie Freude in ihr aufstieg und sich ausbreitete wie Sonnenschein, und sie lächelte. „Es erstaunt mich, dass Sie daran denken.“
„Ich nahm an, Sie würden es gerne vergessen, könnten es aber nicht.“
Wie kam es, dass dieser Mann sie so gut kannte? Sie hatte einen seltsamen Eindruck von ihm. Er sah vielleicht wild und unkonventionell aus, aber er würde ihr nie wehtun. Er war ein Fremder, aber er kannte die dunkelsten Geheimnisse ihres Herzens besser als sonst jemand auf der Welt. Er war ein rauer Bursche aus den Wäldern, aber auf seine Stärke konnte sie sich verlassen. Es war eine seltsame Vorstellung, einen Mann in der Nähe zu haben, der ihrem Vater eine Pistole an den Kopf gehalten hatte.
„Das ist aber eine Überraschung“, bemerkte sie verlegen. „Ich werde Ihnen das Essen holen.“
„Danke“, sagte er und hängte seinen Mantel an einen Haken.
Sie füllte zwei Teller mit dem Eintopf. „Sie müssen hungrig sein, nachdem Sie den ganzen Vormittag draußen in der Kälte waren.“
Sie tranken warmen Apfelmost zum Essen, aßen schweigend, wie es ihnen zur Gewohnheit geworden war. Wenn sie sich länger unterhielten, artete das zu oft in einen Streit aus. Sie wollte ihm von Weihnachten in Chicago erzählen und ihn fragen, wie die Feiertage mit Asa gewesen waren. Aber sie hatte Angst, ihm damit zu nahe zu treten, schließlich war dies sein erstes Weihnachten ohne Asa, und sie wollte ihn nicht bekümmern.
Nachdem sie fertig waren, nahm Deborah die Teller und brachte sie zur Spüle. Als sie sich wieder zum Tisch umdrehte, sah sie ein großes unförmiges Päckchen auf ihrem Platz, in Sackleinen gewickelt und mit einer schiefen Schleife aus Ballenschnur.
Sie runzelte die Stirn, war argwöhnisch. „Was ist das?“
„Ein Weihnachtsgeschenk.“
Sie starrte ihn an. Er sah aus, als wünschte er sich, der Boden würde sich auftun und ihn verschlingen.
„Für mich?“, fragte sie fassungslos.
„Ich denke schon. Nun machen Sie schon, packen Sie es aus.“
Ihre Hände zitterten, als sie an der Schleife zog. „Ich habe aber nichts für Sie.“
Er lächelte ein wenig. Sie hatte sich an die unerwartete Jungenhaftigkeit seines seltenen Lächelns gewöhnt, das so fehl am Platze in seinen rauen Zügen wirkte. „Ich brauche keine Geschenke, Prinzessin.“
Sie entfernte das Band und das Sackleinen und schnappte unwillkürlich nach Luft. „Oh je! Die sind ja wunderschön!“ Sie verspürte eine solche Freude, als sie die herrlichsten weißen Pelzhandschuhe, die sie je gesehen hatte, und ein Paar fellgefütterter Stiefel hochhielt. Sie steckte eine Hand in einen der Handschuhe und schloss die Augen, genoss die seidenweiche Wärme. Das Kaninchenfell war weicher und wärmer als Daunen, da doppelt gelegt, und mit größter Sorgfalt mit winzigen Stichen vernäht.
Sie öffnete die Augen wieder und deutete auf die Stiefel. „Woher stammen die hier?“
„Ich habe sie gemacht“, erwiderte er knapp. „Passen Sie?“
Sie band ihren Schuh auf und schlüpfte mit einem Fuß in einen der Stiefel. Es fühlte sich himmlisch an, weich und eng um ihren Fuß und Knöchel, und die Ledersohle vermittelte das wunderbare Gefühl, barfuß durch warmen Sand zu gehen. Sie zog den anderen Stiefel an und dann die Handschuhe. „Sie sind perfekt, Tom.“ Sie schluckte, als ihr plötzlich die Kehle eng wurde. „Einfach vollkommen.“ Wie albern, überlegte sie, plötzlich so sentimental zu werden wegen dieser
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