Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
versucht hatte, ihr klarzumachen, dass ihr feiner Verlobter nicht der ehrenwerte Gentleman war, für den sie ihn hielt. Und es konnte ja auch sein, dass er sich irrte. Er war nicht dabei gewesen. Er wusste nur, was Deborah erzählt hatte. Im Grunde genommen ging es ihn nichts an.
Doch sein Bauchgefühl verriet ihm, was genau geschehen war. Er wusste nicht, ob sie seiner Erklärung Glauben schenkte oder nicht. Und er ermahnte sich immer wieder, dass es ihn nicht kümmern solle, aber ihre Beziehung hatte sich weiterentwickelt. Ein Unrecht war begangen worden, und sie war das Opfer. Er wünschte, er hätte eine Ahnung, wie er sie davon überzeugen könnte. Er hatte dieselbe siedende Wut verspürt, als das Minenunglück geschehen war. Wenn er nicht aufpasste, würde die Wut ihn noch verrückt machen – verrückt genug, dass er am Ende das tat, was er beinahe in Chicago getan hätte.
Aber inzwischen hatte er begriffen, dass es nichts nutzte, wenn er seiner Wut freien Lauf ließ. Nur eins würde Deborah helfen können, damit das Ereignis sie nicht länger verfolgte: Sie musste kapieren, dass ihr Gewalt angetan worden war. Er wünschte, ihm wäre es möglich, ihr zu erklären, dass Sex, wenn er in gegenseitiger Zuneigung geschah, sehr schön war, nichts, das wehtat, nichts, das man fürchten musste. Es machte ihn furchtbar zornig, dass sie der Meinung war, die Vergewaltigung sei ihre Schuld, und dass irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung sei.
Sie hatte es völlig falsch verstanden. Wie sie gewöhnlich alles falsch verstand, was er sagte. Er hatte einfach keinen blassen Schimmer, wie er mit einer Frau wie ihr reden sollte.
Während er den Schnee vor der Tür bis zum Lager hinter dem Laden wegschaufelte, brummte er vor sich hin. Es hatte die vergangenen vier Tage geschneit und erst Mitte letzter Nacht aufgehört. Plötzlich hatte es aufgeklart und der Mond hatte hoch am Himmel gestanden, hatte die Schneeflächen und Hügel mit milchig-bläulichem Licht überzogen.
In der Nacht war der Anblick von so atemberaubender Schönheit gewesen, dass ihm schier die Worte fehlten, sie zu beschreiben. Am Tag bedeuteten die Massen an Schnee, dass es viel zu tun gab, und Tom war verdammt dankbar für die Beschäftigung, denn auf diese Weise konnte er Deborah aus dem Weg gehen. Er benötigte gute zwei Stunden, die schräge Kellertür vom Schnee zu befreien. Die Türangeln waren eingefroren und knarzten, als er die Tür öffnete. Klares Wintersonnenlicht strömte herein und fiel auf ein paar Fässer mit Wildreis, Mehl, Zucker, Kaffeebohnen und Milchpulver. Es war nicht viel, denn Tom hatte ja schließlich nicht damit gerechnet, sich für einen ganzen Winter auf der Insel bevorraten zu müssen, aber er hoffte, es würde reichen. Er benötigte einige Zeit, die Fässer zu öffnen, um Lebensmittel für die kommenden Tage zu entnehmen. Dann versiegelte er die Fässer wieder sorgfältig, um sie vor Ungeziefer zu schützen, und schloss die Kellertür hinter sich.
Im Haus saß Deborah an ihrem gewohnten Platz neben dem Herd, arbeitete an ihrem Quilt, während der Hund zu ihren Füßen auf dem Kaminvorleger schlief. Der Quilt war inzwischen so groß, dass er ihren Schoß bedeckte und bis auf den Boden hing. Und als sie den Blick hob und Tom anschaute, stockte ihm einen Moment lang der Atem.
Verdammt. Irgendwo verborgen in seinem Herzen hatte er ein Bild wie dieses in sich getragen. Es verkörperte etwas, das er sich gewünscht hatte, seit er als Kind – so klein, dass er sich kaum an sie erinnern konnte – seine Familie verloren hatte. Es war ein scharfes Sehnen, das ihn in seltsamen Augenblicken erfasste – wie jetzt gerade.
„Ich habe ein paar Vorräte aus dem Keller geholt“, überspielte er mit rauem Ton seine Rührung. Er stellte die Stoffsäckchen auf den Tisch. „Reis und ein paar andere Sachen.“
Ihre Nadel blitzte über dem Quilt auf. „Das ist gut. Möchten Sie jetzt Ihr Essen?“
„Nein. Ich gehe besser die Fallen überprüfen, solange es noch hell draußen ist.“
„Gut.“ Sie blickte aus dem Fenster. „Es ist so unglaublich schön dort draußen, wenn das Wetter ruhig ist.“
„Das stimmt.“ Schlichte Worte. Eine wenig bemerkenswerte Unterhaltung. Doch wie die Strömung unter dem Eis schwamm unter ihren Worten noch etwas anderes mit.
Sie seufzte. „Ich wünschte …“ Sie biss sich auf die Lippe und seufzte erneut.
„Was?“
„Es ist albern.“
„Sagen Sie es mir trotzdem.“
„Manchmal wünschte
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