Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
überwinden, ihn anzusehen. Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, während sie auf ihre neuen warmen Fellstiefel starrte, deren weiches weißes Futter so üppig war, dass es an den Rändern hervorlugte. „Heute Morgen … habe ich entdeckt, dass ich nicht schwanger sein kann.“
Mit einem Ruck blieb er stehen – so stumm und starr, dass sie sich dazu zwang, ihn anzuschauen. Er grinste vom einen Ohr zum anderen.
„Ich nehme an, das ist eine willkommene Nachricht für Sie“, erklärte sie.
„Oh ja.“ Er legte den Kopf in den Nacken und lachte. „Sie können eine schreckliche Plage sein, Prinzessin, aber die Vorstellung, dass Sie ein Kind erwarten, war noch schlimmer.“
Sie ärgerte sich, war bereit, beleidigt zu sein, aber irgendwie konnte sie keinen Ärger aufbringen. Selbst seine unverblümte achtlose Verwendung des Wortes „schwanger“ kränkte sie nicht. Er hatte Weihnachten zu etwas Besonderem für sie gemacht, trotz der schwierigen Bedingungen, und sie hatte ihn glücklich gemacht, indem sie ihn einer großen Sorge enthoben hatte. Ein paar Augenblicke lang standen sie einfach da, grinsten einander wie Narren an. „Jetzt sieht es so aus“, sagte sie, „als hätte ich mein großartiges Geständnis ganz umsonst gemacht.“
Er wurde sofort wieder ernst. „Nein, bestimmt nicht. Ihnen ist etwas Furchtbares passiert. Es jemandem zu erzählen, kann nicht ungeschehen machen, was war, aber Sie tragen die Bürde nicht länger allein.“
Seine Worte waren wie eine Offenbarung für sie. Sie spürte eine Leichtigkeit im Herzen wie seit Wochen nicht mehr. Die tiefen Wunden, die Philip ihr zugefügt hatte, hatten sie niedergedrückt, und jetzt hatte sie das Gefühl, als würde sie aus dunklen Wolken auftauchen. Tom schien entschlossen zu sein, sie zurück ins Licht zu ziehen. „Warum tun Sie das?“, fragte sie.
„Was?“
„Weihnachten für mich zu einem Festtag zu machen. Mir zu helfen, mit dem, was Philip getan hat, klarzukommen. Warum?“
Er machte einen betretenen Eindruck, als er eine Handvoll Schnee aufhob und ihn zu einem Ball formte. „Weil Sie zu zwingen, herzukommen, ein schlimmer Fehler war. Ich wollte mich an Ihrem Vater rächen, und dabei hätte ich bleiben sollen. Ich hätte Sie niemals in die Angelegenheit hineinziehen dürfen.“
„Also ist es eine Art Wiedergutmachung, weil Sie ein schlechtes Gewissen haben.“
„So ist es.“
„Verstehe.“ Sie setzten sich wieder in Bewegung, schlenderten langsam über den Pfad, um jeden Moment des Spaziergangs zu genießen. Die Schatten wurden länger und die Luft kälter. Deborah ertappte Tom dabei, wie er sie merkwürdig anschaute. „Sie müssen sich meinetwegen nicht schuldig fühlen.“ Und während sie das sagte, wusste sie auf einmal, was sie wollte. Sie wollte, dass er freundlich zu ihr war, weil er sie gern hatte und sie mochte, weil ihm etwas an ihr lag, nicht weil er die unüberlegte Tat bereute, die dafür gesorgt hatte, dass er sie nun monatelang am Hals hatte. Aus welchem Grund er sich um sie bemühte, sollte ihr eigentlich gleichgültig sein, aber dem war nicht so.
„Was für ein kompliziertes Arrangement das hier geworden ist“, bemerkte sie. „Die Dinge waren so viel einfacher, als ich eine schlichte Geisel war.“
Er warf den Schneeball ins Marschland, schreckte damit einen Schwarm Krähen auf. „Frau, Sie sind nie in irgendeiner Weise schlicht gewesen.“
Sie traten an den Rand der Marsch und ließen den Blick über die Landschaft schweifen. Ein dicker Überzug aus Eis bedeckte die Wasseroberfläche des Sees, und der Wind hatte so gut wie allen Schnee weggeweht. Am Ufer stak Schilf durch das Eis, und winzige schwarze Vögel flatterten um die trockenen weizenfarbenen Stängel.
„Sind Sie je Schlittschuh gefahren?“, fragte sie.
„Ja. Es gab für uns Kinder nicht viel anderes im Winter zu tun. Sie auch?“
„Natürlich. Im Winter finden in Lincoln Park Schlittschuhfeste statt.“
„Ich kann nicht behaupten, dass wir je ein Fest daraus gemacht hätten.“ Er blickte zum dunkler werdenden Himmel. „Wir sollten besser umdrehen.“
Sie gingen ohne Eile und in Schweigen gehüllt. Das einzige Geräusch kam von dem trockenen Knirschen des festgestampften Schnees unter ihren Füßen. Als sie das Haus erreicht hatten, stellte Deborah verwundert fest, dass sie Toms Hand hielt. Sie konnte sich gar nicht erinnern, sie ergriffen zu haben.
Hastig ließ sie ihn los. „Noch einmal vielen Dank.“
„Frohe Weihnachten,
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