Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Reifen und Stock. Sogar ich kann Wäsche aufhängen, sagte Deborah sich. Es den beiden anderen Frauen nachtuend nahm sie ein Wäschestück – ein Nachthemd, wie es den Anschein hatte – und schüttelte es aus. Celia steckte sich eine Wäscheklammer zwischen die Zähne, um die Hände freizuhaben. Deborah konnte sich nicht dazu überwinden. Sie befestigte das Kleidungsstück irgendwie mit den Klammern an der Leine, doch es fiel sofort zu Boden, landete im Dreck.
Ilsa sagte nichts, hob es auf und schüttelte es noch einmal aus, betrachtete es dann prüfend. „Nicht allzu schmutzig“, erklärte sie dann. „Man nimmt besser wenigstens zwei Klammern.“
Verlegen versuchte Deborah es erneut. Sie arbeitete langsamer als die beiden anderen, aber es gelang ihr, ihren Teil der Wäsche aufzuhängen. Es ärgerte sie ein wenig, als sie feststellte, dass sie es ihr ganzes Leben lang für selbstverständlich gehalten hatte, dass diese Tätigkeit einfach wie von Zauberhand verrichtet wurde. Wenn sie achtlos eine Manschette am Ärmel beschmutzt hatte und die Bluse dann einfach auf einen Haufen auf dem Boden geworfen hatte, war ihr nie der Gedanke gekommen, dass jemand anderer sie aufheben, makellos sauber waschen und plätten musste. Sie hatte gehört, wie sich Frauen über die harte Hausarbeit beschwerten, aber jetzt erfuhr sie es aus erster Hand, wie es war. Außer dass es in Gesellschaft anderer Frauen sicher nicht mühseliger und langweiliger war, als im höhlenartigen Salon im Sommerhaus ihres Vaters zu sitzen und Petit-Point-Stickereien anzufertigen. Der Wäscheberg schrumpfte beständig, bis nur noch ein Kleidungsstück übrig war – ein großer Quilt. Er war aus kleinen sechseckigen Stoffstückchen in verschiedenen Blautönen, von tiefstem Dunkelblau zu blassem Himmelblau, zusammengesetzt, so arrangiert, dass die hellen, die dunklen widerzuspiegeln schienen.
„Wie wunderschön diese Decke ist“, sagte Deborah.
„Meine Mutter hat sie gemacht, als Weihnachtsgeschenk für mich“, erzählte Celia. „Dieses Muster nennt man Himmelsfluss.“
Deborah stellte sich eine zierliche Frau wie Celia mit kleinen Händen vor, die im Schein einer Lampe arbeitete. Wie viele Stiche wohl nötig gewesen waren, diese bestimmt mehr als hundert Stoffstücke aneinanderzunähen? „Mit viel Liebe gemacht“, meinte Deborah und legte eine Ecke über die Leine. „Ich beneide Sie.“
„Mich? Um was könnte mich ein reiches Mädchen aus Chicago wohl beneiden? Ich wette, Ihre Bettdecken stammen doch gewiss aus London … oder gar Persien.“
„Ich würde lieber unter einer Decke schlafen, die meine Mutter angefertigt hat.“ Sie befestigte die Ecke mit einer Klammer und bewunderte die feinen Stiche. „Ich habe sie nicht kennengelernt.“
„Ah, das ist allerdings ein hartes Los“, bemerkte Ilsa.
„Ja, ist es“, erwiderte Deborah. „Auf eine Weise, die ich erst langsam zu begreifen beginne.“
„Wissen Sie, wie man einen Quilt macht?“, fragte Ilsa.
„Nein, aber ich würde es gerne lernen. Ich kann Petit-Point-Stickerei und eine Reihe anderer Handarbeitstechniken.“ Deborah lächelte bitter. „Putzmacherei war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.“
„Quilte zu machen unterscheidet sich nicht so sehr davon.“ Ilsa bückte sich und hob den Korb hoch. „Kommen Sie doch einen Moment mit ins Haus. Ich kann es Ihnen zeigen.“
Celia blickte ihre Freundin überrascht an, begleitete sie aber. Deborah wunderte sich darüber, nachdem sie das kleine Gebäude betreten hatten, wie hell es im Hauptraum war. Die Wände und der Boden machten einen sauberen, frisch geschrubbten Eindruck, und ein großer Bohlentisch beherrschte das Zimmer. Bankreihen standen am Rand.
„Wir halten hier unsere Sonntagsmessen ab“, erklärte Ilsa, der Deborahs Erstaunen nicht entgangen war. „Mein Ehemann ist der Pastor hier.“ Als sie den Raum durchquerte, berührte sie die Lehne des größten Stuhls im Salon – eines Männerstuhls. Stolz und Zuneigung ließen ihr wenig bemerkenswertes blasses Gesicht liebreizender erscheinen.
Sie zog ein hölzernes Gestell aus der Ecke. „Das ist mein Quilt-Rahmen.“
Er ähnelte einem riesigen Stickrahmen. Darin eingespannt war ein zusammengesetzter Quilt aus verblassten Stoffstreifen. „Ich arbeite an einer Ranke“, sagte sie. Sie beugte sich vor und hob den Deckel eines Weidenkörbchens an, in dem sich bunte Stoffstückchen befanden. „Ich habe viel zu viel gesammelt“, bemerkte sie. „Das hier
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