Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Silver.
„Tom war ein Kurier“, erläuterte Celia weiter. „Er hat Nachrichten von einem Regiment zum anderen überbracht.“
„Er gehört nicht zu denen, die viel über das reden, was vorgefallen ist“, fuhr Ilsa fort. „Nach ein paar Jahren kam er mit einem kleinen Jungen zurück. Sagte, er sei der Sohn eines Freundes, und dass dieser Freund nach dem Krieg gestorben sei.“
„Er hat nie ein Wort darüber verloren, aber Asa hat mir einmal eine Schachtel mit Medaillen und Orden gezeigt, die Tom bekommen hatte“, nahm Celia den Faden auf. „Einer davon war der Ehrenorden des Kongresses. Für herausragende Tapferkeit und Heldenmut.“
Deborah hörte in der Stimme der jungen Frau eine Wärme und Herzlichkeit, die sie vorher nicht wahrgenommen hatte. War es möglich, dass Celia sich in Tom Silver verguckt hatte? Es ist nicht so weit hergeholt, dachte sie. Manche Frauen hegten vielleicht eine Vorliebe für raue Gesellen wie ihn. Er war jedenfalls ohne Zweifel stark. Und ein Beschützer war er auch. Das hatte sie am eignen Leib erlebt.
„Was hat er denn getan?“, fragte sie Celia.
„Das weiß niemand. Er will nicht darüber reden.“
„Haben Sie ihn gefragt?“
„Natürlich.“ Sie lächelte. „Das heißt aber nicht, dass ich eine Antwort erhalten habe.“
„Lightning Jack hat einmal gesagt, er habe einer Salve getrotzt, die seine Einheit bei Kenaha Falls niedergestreckt hat“, warf Ilsa ein. „Er hat die Feldschanze so dicht neben einer feindlichen Kanone erklommen, dass ihn die Druckwelle in einen Graben geschleudert hat, aber irgendwie hat er es geschafft, bis zu der Kanone zu gelangen. Als ihn die Kanoniere bemerkten, sind sie alle geflohen.“
„Das“, entgegnete Deborah, die sich unwillkürlich daran erinnerte, wie eindrucksvoll, ja bedrohlich seine Erscheinung war, „erstaunt mich nicht im Geringsten.“
„Lightning sagt, er hat den letzten Schuss in seiner Pistole benutzt, um einen konföderierten Fahnenträger und eine Wache gefangen zu nehmen.“
Seine Vergangenheit war bislang für Deborah eine leere Wüste gewesen, so wie ihre für ihn. Am besten wäre es wohl, wenn das so bliebe. „Sie kennen diesen Mann gut“, sagte Deborah, während Hoffnung in ihr aufkeimte. „Sie könnten doch mit ihm reden, sich für mich verwenden. Überzeugen Sie ihn davon, dass er einen Fehler macht.“
„Tut er das denn?“, fragte Ilsa.
„Es kann zu nichts Gutem führen, wenn er mich hier gegen meinen Willen festhält. Wenn er mich gehen lässt, kann ich meinen Vater davon überzeugen, den Familien der in der Mine Verunglückten zu helfen. Ich kann ihn dazu überreden, Mr Silver nicht wegen seines unüberlegten Handels gerichtlich zu verfolgen.“
„Für mich sieht es ganz so aus, als wäre es nicht Mr Silver, der unüberlegt handelt.“
„Aber mich gefangen zu halten wird das Problem nicht lösen. Es wird höchstens mehr Ärger verursachen.“ Sie fröstelte, als sie daran dachte, was ihr Vater tun könnte. Es hatte sie zutiefst erschüttert, was sie in den vergangenen Tagen über ihn erfahren hatte. Beinahe widerstrebend rief sie sich einen Zwischenfall in Erinnerung, der sich zugetragen hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Ohne dass ihr Vater davon gewusst hatte, hatte sie sich gerne in dem Hohlraum zwischen den beiden Hälften seines massiven Schreibtisches im Arbeitszimmer versteckt, eine gemütliche dunkle Höhle genau außer Reichweite seiner Füße. Er hatte nicht geahnt, dass sie dort war, als ein Mann in sein Büro gekommen war.
„Bitte, Mr Sinclair“, hatte der Mann gesagt, „ich werde das Geld in einer Woche haben …“
„Sie sind schon drei Monate im Rückstand“, hatte ihr Vater ungeduldig erwidert. „Ich habe keinen Platz in der Sägemühle für einen Arbeiter, der sich seinen Lohn nicht erarbeitet.“
„Es ist meine Frau“, hatte der Mann beharrt. „Sie ist krank, seit das Baby gekommen ist …“
„Gehen Sie, bevor ich Sie hinauswerfen lasse.“
Selbst jetzt noch, Jahre später, hallte die Unnachgiebigkeit in der Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf wider. Ihr Magen hatte sich ganz hart und kalt angefühlt. Nach jenem Tag hatte sie aufgehört, in seinem Arbeitszimmer zu spielen.
„Mein Vater heuert oft Pinkerton-Agenten an, die sich um Sicherheitsangelegenheiten kümmern“, teilte sie den Frauen mit. „Tom könnte ins Gefängnis geworfen werden oder gar am nächsten Baum aufgeknüpft.“
„Wirklich?“, fragte Celia.
„Ich fürchte, ja.“ Zu
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