Ismael
Versorgung mit Nahrung.«
»Das erstaunt mich sehr, Bwana. Wenn wir hungrig sind, ziehen wir los und suchen uns etwas zu essen. Was brauchen wir mehr?«
»Wenn ihr eure Nahrung selbst anbauen würdet, hättet ihr sie besser unter Kontrolle.«
»Warum, Bwana? Warum ist es so wichtig, wer die Nahrung anbaut?«
»Wenn ihr sie selbst anbaut, wißt ihr, daß sie auch da ist.«
Ismael kicherte amüsiert. »Das erstaunt mich wirklich, Bwana! Das wissen wir doch auch so. Die Welt ist voller Nahrung. Oder glaubst du, daß die Nahrung sich eines Nachts davonschleicht? Wohin sollte sie gehen? Sie ist immer da, Tag für Tag und Jahr für Jahr, im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Wenn das nicht so wäre, wären wir jetzt nicht hier, um mit dir darüber zu sprechen.«
»Schon, aber wenn ihr eure Nahrung selbst anbauen würdet, könntet ihr bestimmen, wieviel Nahrung da ist. Ihr könntet sagen: >In diesem Jahr wollen wir mehr Süßkartoffeln haben, in diesem Jahr mehr Bohnen und in diesem Jahr mehr Erdbeeren.<«
»Aber Bwana, all das wächst im Überfluß, ohne daß wir einen Finger krumm machen. Warum sollten wir mühevoll anpflanzen, was ohnehin wächst?«
»Ja, aber ... geht euch die Nahrung denn nie aus? Habt ihr nie Appetit auf Süßkartoffeln und müßt dann feststellen, daß es gerade keine gibt?«
»Natürlich kommt das vor. Aber ist es bei euch nicht genauso? Habt ihr nicht auch manchmal Appetit auf Süßkartoffeln und müßt dann feststellen, daß auf euren Feldern gerade keine wachsen?«
»Nein, denn wenn wir Süßkartoffeln essen wollen, gehen wir einfach in einen Laden und kaufen eine Büchse mit Süßkartoffeln.«
»Ja, ich habe von dieser Einrichtung gehört. Sag mir, Bwana, wenn ihr eine solche Büchse im Laden kauft - wie viele Menschen haben durch ihre Arbeit dazu beigetragen, daß die Büchse dort im Regal steht?«
»Ach, einige hundert, nehme ich an. Die Kartoffeln müssen angepflanzt, geerntet, mit Lastwagen abtransportiert und in der Konservenfabrik gereinigt werden; die entsprechenden Maschinen müssen bedient, die Büchsen in Kisten verpackt und die Kisten an die Läden verteilt und im Laden ausgepackt werden, und so weiter.«
»Verzeihung, Bwana, aber ist es nicht verrückt, daß ihr diese ganze Arbeit tut, nur um sicherzustellen, daß ihr immer Süßkartoffeln essen könnt, wenn ihr wollt? Wenn wir eine Süßkartoffel wollen, ziehen wir einfach los und graben eine aus - und wenn wir keine finden, finden wir etwas anderes, das genauso gut schmeckt, aber es müssen nicht einige hundert Menschen dafür arbeiten, daß wir Süßkartoffeln haben.« »Darum geht es doch nicht.«
»Du hast sicher recht, Bwana.«
Ich unterdrückte einen Seufzer. »Also hör zu. Solange ihr eure Nahrung nicht selbst anbaut, seid ihr von der Willkür anderer abhängig. Da ist es ganz egal, daß bisher immer genug da war. Darum geht es nicht. Ihr dürft nicht von den Launen der Götter abhängig sein. Das wäre kein menschliches Leben.«
»Warum nicht, Bwana?«
»Na ja ... schau her. Ihr geht also eines Tages auf die Jagd und fangt ein Reh. Schön, ihr habt zu essen. Wunderbar. Aber ihr hattet keinen Einfluß darauf, daß das Reh da war.«
»Nein, Bwana.«
»Gut. Am nächsten Tag geht ihr wieder auf die Jagd, und diesmal fangt ihr kein Reh. Ist das nicht schon vorgekommen?«
»Natürlich, Bwana.«
»Eben, da hast du es. Weil ihr keinen Einfluß darauf habt, ob Rehe da sind oder nicht, geht ihr leer aus. Was tut ihr jetzt?«
Ismael zuckte die Schultern. »Wir fangen ein paar Kaninchen.«
»Siehst du? Eigentlich wollt ihr ein Reh, ihr müßt euch aber notgedrungen mit Kaninchen begnügen.«
»Und ist unser Leben deshalb schändlich, Bwana? Sollen wir deshalb ein Leben aufgeben, das uns viel bedeutet, und in euren Fabriken arbeiten? Weil wir Kaninchen essen, wenn gerade kein Reh da ist?«
»Nein, laß mich ausreden. Ihr habt also keinen Einfluß darauf, ob Rehe da sind - oder Kaninchen. Angenommen, ihr geht auf die Jagd und fangt weder Rehe noch Kaninchen? Was tut ihr dann?«
»Dann essen wir etwas anderes, Bwana. Die Welt ist voller Nahrung.«
»Schon, aber hör zu, ihr könnt das doch überhaupt nicht beeinflussen ...« Ich wurde allmählich aggressiv. »Hör zu, es gibt doch keinerlei Garantie, daß immer Nahrung im Überfluß da ist. Habt ihr nie eine Dürre erlebt?« »Doch natürlich, Bwana.«
»Und was passiert dann?«
»Das Gras verdorrt, die Pflanzen verdorren. Die Bäume tragen keine Frucht,
Weitere Kostenlose Bücher