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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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müsse ohne Schwierigkeiten dahingleiten und von den Strömungen verschont bleiben. Aber nach einer Weile schlief er dann doch ein. Es dauerte allerdings eine gewisse Zeit, bis er sich an die transparente Zerbrechlichkeit des Unterbodens gewöhnte, über den er schritt.
    Am dritten Tag verdunkelten die ersten Regenwolken, die er seit seiner Ankunft gesehen hatte, den Westen. Eine Stunde später kam ein starker Wind auf, der zwar nicht die Stärke eines Taifuns erreichte, den Kapitän aber dennoch veranlaßte, die Segel zu reffen, bevor er zu stark wurde. Die erste Schubwelle kippte das Schiff um fünfundzwanzig Grad, aber es setzte seinen Weg mit Steuerbordneigung fort. Ismael hatte sich an den Unterbodenpfahl gebunden, der tief in den Schiffsleib hineinreichte. Er hatte den Befehl des Kapitäns zuerst nicht verstanden, aber nach einer Weile drang zu ihm die Erkenntnis durch, daß er – wenn er schon als Arbeitskraft nicht zu gebrauchen war – immer noch mit seinem Gewicht eine gewisse Stabilität erzeugen konnte. Zumindest als Ballast konnte man ihn einsetzen.
    Der Wind wurde stärker. Das Schiff setzte seinen Kurs zwar fort, wurde aber immer weiter nach Osten abgetrieben. Und der Wind, der nun immer mehr die Kraft eines Taifuns annahm, fegte mit unverminderter Stärke heran. Welle um Welle schlug gegen das Schiff, als halte sich irgendwo hinter dem Horizont ein mammutähnliches Riesentier verborgen, das blies, kurz Luft holte und dann mit der Prozedur fortfuhr. Schließlich fing es an zu regnen, und Blitze und Donner zerrissen den Himmel irgendwo zwischen den Wolken.
    In dieser Lage hatte der Kapitän nichts, auf das er sich verlassen konnte. Er besaß keinen Kompaß, da Kompasse aus Metall bestehen müssen und dies auf dieser Welt entweder nicht mehr vorhanden oder ziemlich selten geworden war. Es konnte gut möglich sein, sinnierte Ismael, daß die Menschheit sämtliche Metalle der Erde aufgebraucht hatte. Den Weg dazu hatte man schon in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts beschritten, wenn man den Voraussagen der Wissenschaftler Glauben schenken konnte. Wie viele Millionen Jahre hatte die Menschheit ohne Metalle überstanden?
    Aber die Frage war jetzt ohne Sinn. Tatsache war, daß der Kapitän nicht einmal über einen Magneteisenstein verfügte. Tagsüber navigierte er nach der Sonne und dem Mond, und in der Nacht richtete er sich nach dem Mond und den Sternen. Zwang ihn die fehlende Sicht dazu, so navigierte er blind. In der absoluten Dunkelheit konnte er nichts anderes tun, als sich der Richtung des Windes anzupassen; wenn der Wind umschwang, wußte er nicht einmal mehr, wohin die Reise gehen würde.
    Eine ziemlich lange Zeit saß Ismael mit einem unguten Gefühl in der Magengegend herum. Es gab weder Uhren noch Sandgläser auf dieser Welt – und nach allem, was er wußte, nicht einmal Sonnenuhren. Die Menschen, die dem Ende der Zeit entgegensahen, schienen sich um die Zeit selbst keine Gedanken zu machen.
    Hin und wieder wurde Ismael durch einen anderen Mann ersetzt, und dann legte er sich zum Schlafen nieder oder speiste in der Kombüse. Er sah niemanden – abgesehen von ein paar Matrosen und dem Koch. Auch die Kombüse bestand aus einem Knochenkäfig. Der Ofen bestand aus einem befestigten Gehäuse aus feuerfestem Holz und war – per Kubikzoll gemessen – der schwerste Gegenstand an Bord. Gespeist wurde er mit einem Öl, das nicht, wie Ismael erwartet hatte, von den Walen, sondern von einer freischwebenden Pflanze gewonnen wurde.
    Er hätte sich gern eine Weile mit dem Koch unterhalten und seinen Charakter studiert, wie er es bei jedem Menschen machte, den er kennenlernte, aber der Mann redete nur wenig und zuckte jedesmal zusammen, wenn das Schiff zu weit ausschwenkte oder mit schockierender Plötzlichkeit aufstieg oder absackte.
    Ismael kehrte schließlich in seine „Halterung“ zurück und saß den größten Teil der Zeit vor sich hindämmernd herum, nur hin und wieder durch unerwartete Bewegungen aufgeschreckt. Dreimal war er sicher, daß das Schiff – das man auf den Namen Roolanga getauft hatte – mehrere Male um die eigene Achse gewirbelt worden war. Wenn dies zutraf, mußte der Kapitän so lange in die Gegenrichtung segeln, bis ein glücklicher Zufall das Schiff noch einmal ergriff und wieder umdrehte.
    Als der Sturm plötzlich schwächer wurde und die Wolken auseinanderbrachen, fühlte Ismael sich angenehm überrascht. Die Sonne stand im Zenit, den sie seit dem Aufkommen des

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