Ismaels fliegende Wale
feststellte, daß er sich verheddert hatte, verfiel er in Panik und begann wild um sich zu schlagen. Der Erfolg der Aktion war, daß er sich nur noch mehr im Pflanzengewirr verklemmte und eines seiner Schwingensegel abbrach.
Da der Harpunier inzwischen in die Sicherheit des Dickichts gezogen worden war, näherte sich Ismael dem Lufthai durch den Dschungel. Einige andere Haie, die inzwischen herangekommen waren, trieben über ihrem gefangenen Artgenossen dahin und schnappten nach ihm, aber keiner kam nahe genug. Sie befürchteten das gleiche Schicksal zu erleiden wie ihr Gefährte, und außerdem pflegten sie erst dann nahe an den Boden heranzuschweben, wenn sie sicher sein konnten, daß ihr Opfer tot oder zumindest dermaßen kraftlos geworden war, daß sie keine Gegenwehr zu erwarten hatten.
Ismael schritt an den gestrandeten Hai heran, blieb aber weit genug entfernt, um nicht in den Bereich seines um sich schlagenden Schwanzes zu geraten. Wenn die Durchsichtigkeit seiner Haut und die Leichtigkeit seiner Knochen auch darauf hindeuteten, daß der Schwanz nicht unbedingt eine Gefahrenquelle darstellte, so war es doch ratsam, der rauhen Haut auszuweichen. Ismael stieß einen zweiten Pflanzenstengel in das klaffende Maul eines zweiten herabtauchenden Hais. Die Kiefer der Bestie schlossen sich, und der Stengel brach entzwei. Ismael verschwand mit einem Satz wieder im Dschungel. Der Hai verschluckte das in seinem Maul verbliebene Stück, und kurz darauf stellte Ismael fest, daß das Tier sich auf Grund seiner durchbohrten Eingeweide vor Schmerzen wand. Möglicherweise war seine Vermutung richtig. Die anderen Haie näherten sich jetzt dem verletzten Tier und rissen große Stücke aus seinen Schwingensegeln, seinem Schwanz und seinem Kopf. Dann trieb der Wind das sterbende Ungeheuer und seine gierigen Verfolger außer Sichtweite.
Plötzlich tauchten zwei Walboote auf, sanken herab und verharrten. Eines der beiden landete auf der Lichtung, während das andere fünfzig Fuß hoch in der Luft stehenblieb, die Segel reffte und einen mit mehreren Widerhaken versehenen Anker in den Dschungel hinabwarf.
Namalee erkannte den Ersten Offizier, einen gewissen Poonjakee, der sofort auf die Knie fiel und den Kopf beugte, bis er mit der Stirn beinahe den Boden berührte. Er war überglücklich, daß die Tochter Sennertaas gerettet worden war, wenngleich er nicht damit gerechnet hatte, sie in dieser Situation anzutreffen. Er beäugte Ismael mißtrauisch, aber die Tatsache, daß das Mädchen ihn als einen Freund vorstellte, beruhigte ihn. Die Freude der Walfänger verwandelte sich allerdings schnell in pures Entsetzen, als Namalee – die jetzt so schnell sprach, daß Ismael ihr nicht mehr folgen konnte – ihnen erzählte, was mit der Stadt ihrer Väter geschehen war. Die braungebrannte Haut der Männer wurde grau. Sie brachen in ein lautes Klagen aus, warfen sich zu Boden und schlugen mit den Fäusten auf die Erde ein. Einige zogen sogar ihre Knochenmesser und fügten sich auf Brust und Armen blutende Wunden zu.
Aber im gleichen Maße, wie sie sich verpflichtet fühlten, ihrem Kummer Tribut zu zollen und sich dem Notwendigen zu ergeben, trug die vergehende Zeit dazu bei, daß sie sich wieder beruhigten. Die Männer stellten ihr Klagen ein und legten kleine Netze über ihre Wunden. Das Material, wurde Ismael später erklärt, wurde von flügel- und federlosen, aber flaumbedeckten Vogelwesen gewonnen und anschließend gewoben.
Während zwei der Matrosen große Stücke aus Herz, Lunge und Leber des Hais schnitten und seinen Magen entfernten, hielten andere nach dem vermißten vierten Mann Ausschau. Etwa fünfzehn Minuten später fanden sie ihn unter einem Baldachin aus Ranken und großen Blättern. Dorthin hatte er sich, während die Kletterpflanzen sich seinen Wunden genähert und an ihm gesaugt hatten, verkrochen und war gestorben.
Das über der Lichtung schwebende Boot sank herab und nahm Chamkri und den anderen Verletzten auf. Namalee und Ismael bestiegen das erste Boot und nahmen auf einer dünnen, durchsichtigen Haut Platz, die gleichzeitig das Deck und den Unterboden des Gefährts darstellte. Sie schnallten sich mit zerbrechlich wirkenden, aber zähen Hautstreifen an, indem sie diese um ihre Hüften legten. Die Sicherheitsgurte verfügten über Knochenverschlüsse; ihre Enden waren in den Schiffsboden eingelassen.
Der Erste Offizier gab den Befehl, die rotbraunen und blaßgrünen Hälse der sechs rings um das Boot herum
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