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Ismaels fliegende Wale

Ismaels fliegende Wale

Titel: Ismaels fliegende Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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nicht gefunden hatten, mußte daran liegen, daß sie bisher zu oberflächlich oder zu blind vorgegangen waren.



Er schaute durch eines der Mauerlöcher. Auf der anderen Seite erkannte er eine matte Helligkeit, deren Quelle nicht auszumachen war. Etwa zwanzig Fuß von der Wand entfernt befand sich eine weitere graue Steinmauer. Die Stimmen schienen von rechts zu kommen. Er zweifelte daran, daß die Sänger sich in dem Raum aufhielten, in den er jetzt hineinsah, aber die Stimmen mußten, da man sie durch die kleinen Schächte hören konnte, ziemlich nah sein.
    Wie ein Terrier, der eine Ratte in den Fängen hält und schüttelt, preßte Ismael, als wolle er die Zeit festhalten, die Zähne aufeinander.
    „Vielleicht sollten wir besser die Fackeln löschen“, sagte Namalee. „Wenn einer von ihnen an den Löchern vorbeigeht und den Lichtschein sieht …“
    Ismael verfluchte sich, weil er nicht selbst daran gedacht hatte. Er ordnete sofort an, daß die Fackeln mit einem schweren Pulver, das jeder der Männer für einen solchen Zweck bei sich trug, gelöscht wurden. Einer der Männer schleppte einen kleinen Ölsack mit sich, in dem Fackeln, Streichhölzer und andere aus den Bodenpflanzen gewonnene Chemikalien getränkt werden konnten. Bevor er die Anweisung zum Löschen der Fackeln gab, versicherte er sich erst einmal, daß die anderen Dinge alle noch vorhanden waren.
    Dann standen sie in schweigsamer Dunkelheit da. Die Stimmen war verstummt.
    Ismael legte ein Ohr an das nächste Loch. Nach einer Weile hörte er jemanden husten. Trotz der momentanen Lage mußte er lächeln. In diesem Husten lag irgend etwas Beruhigendes. Zweifellos schwieg die Gemeinde – oder der Chor –, weil sie sich auf den Endsegen oder die Entlassungsworte vorbereitete. Und wie bei jeder kirchlichen Versammlung benutzte man diesen stillen Augenblick auch hier dazu, sich auszuhusten.
    Die Erde bebte ständig, die Meere waren ausgetrocknet, die Sonne war zu einem sterbenden roten Riesen geworden, der Mond drohte herabzustürzen, und der Großteil des Lebens hatte sich in die sich allmählich auflösende Luft hinaufbegeben, aber die menschliche Natur hatte sich nicht so schnell geändert wie die Welt, in der sie existierte.
    Ismaels Lächeln verlor sich, als er jemanden ein paar Worte ausrufen hörte und das Schlurfen zahlreicher Füße und das Gemurmel von Stimmen erklang. Die Versammlung löste sich auf.
    Eine Minute später erleuchtete eine Fackel den Raum auf der anderen Mauerseite. Füße schlurften über den Boden, und zwei Männer, die sich mit leiser Stimme unterhielten, gingen vorbei. Sie trugen scharlachrote Roben und Kapuzen und wären – hätten ihre Gesichter nicht rote und grüne Bemalungen aufgewiesen – zu Ismaels Zeiten als Mönche durchgegangen.
    Andere Männer – stets zu zweit – folgten ihnen. Ismael zählte zehn Paare, dann kam niemand mehr. Aber er war sicher, daß der Raum, aus dem der Gesang gekommen war, viel mehr Leute als nur diese zwanzig enthalten hatte. Die anderen mußten demnach anderswohin gegangen sein oder sich noch immer im Tempel aufhalten. Aber wenn letzteres zutraf, verhielten sie sich absolut still.
    Er wartete ab. Die Stille selbst wurde zu einem Singen. Die Dunkelheit senkte sich herab, als hätte sie Substanz, ein Eigengewicht, und verfolgte instinktiv ein böses Ziel. Als Ismael hinter sich ein Klappern wahrnahm, fuhr er auf dem Absatz herum, und die anderen taten es ihm gleich. Aber es war nur das immer noch auf dem Rücken liegende Ungeheuer gewesen, das bei einem Versuch, sich wieder auf den Bauch zu wälzen, mit einer Tatze gegen die unterste Treppenstufe gestoßen war.
    Namalee schnüffelte plötzlich und preßte ihre Nase gegen eines der Löcher. Sie atmete tief ein. Dann sagte sie: „Ich glaube, ich habe es gerochen. Der Duft der Götter. Der heilige Raum muß uns wirklich sehr nahe sein. Aber genausogut kann er sich tausend Meilen von uns entfernt befinden.“
    Ismael schnüffelte, roch jedoch nichts. Allerdings war er mit dem Duft der Göttlichkeit nicht aufgewachsen und besaß deswegen keine ausgebildete Nase. Und wenn er nicht bald hinter das Geheimnis der beweglichen Mauer kam, würde ihm noch mehr fehlen als nur ein besonderer Geruchssinn …
    Ismael horchte, konnte aber auf der anderen Seite der Wand kein Geräusch vernehmen. Er gab den Befehl, daß man eine einzelne Fackel anzünden solle. Als die Flamme sich entzündete und er im ersten Augenblick durch die Helligkeit zum Blinzeln

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